Über mich

Und die Geschichte dahinter

Hi, liebe Leserin, lieber Leser,

bevor ich dir hier von meinen Weg, meiner Geschichte nach der Krebsdiagnose berichte, stelle ich mich dir kurz einmal vor:

Mein Name ist Nella Rausch (Nella ist mein Spitzname). Ich bin gebürtige Dortmunderin und lebe seit 1996 mit meinem Mann und meinen drei Kindern in Berlin.

Das Foto von Anikka Bauer ist 2022 und damit fast sieben Jahre nach meiner Diagnose (12 / 2015 Non-Hodgkin-Lymphom, 4. Stadium – 2017 allogene Stammzelltransplantation) entstanden.

Ich war unter anderem als Journalistin, Werbetexterin, PR-Consultant tätig. Zuletzt als Prokuristin und Projektleiterin. Seit 2019 bin ich Bloggerin, Autorin, Podcasterin, Speakerin und vor allem mit Leib und Seele Mutmacherin für Menschen nach der Diagnose Krebs.

Nella – meine Leidenschaften

Ich liebe es auf dem Wasser zu sein Das Segeln habe ich schon früh gelernt und meinen Segelschein auf dem Ijsselmeer in den nahen Niederlanden gemacht. Hamburg ist neben Berlin meine absolute Lieblingsstadt. Sobald ich mir etwas Zeit freigeschaufelt habe, gehe ich gerne Walken, fahre Rad und singe im Chor.

Das Lesen und Schreiben sind allerdings meine größten Leidenschaften und seit 2020 auch das Podcasten für Nellas Neuaufnahme – Warum sich Patienten und Ärzte besser verstehen sollten“. Denn eigentlich wollte ich immer Radiomoderatorin werden, habe das aber unterwegs völlig vergessen. Jetzt habe ich meine eigene „Sendung“ und talke mit meinen Gästen über Themen wie zum Beispiel die fünf Zutaten für ein glücklicheres Leben, die Wut in uns, das Grenzen setzen, die Stammzellspende, die Atmung, die Studienteilnahme, Bewegung und Schlaf und Shared Decision Making.

Medizinische Themen sind mir seit frühester Kindheit vertraut, da meine Familie fast ausschließlich in dieser Branche arbeiten. Patientinnen und Patienten, Diagnosen und Therapien waren fester Bestandteil der Mittagstischunterhaltung und bestimmten die Gespräche auf wirklich jeder Familienfeier – stöhn. Manchmal wurde es mir echt zu viel. der Vorteil: Unter dem sogenannten Weißkittelsyndrom (der Angst vor dem Arztbesuch) leide ich nicht. Ein Selbstläufer war meine Zeit während der Therapie deswegen allerdings auch nicht, was du gleich unten nachlesen kannst.

Worum geht es mir im Zellenkarussell?

Bevor du in meine Geschichte einsteigst, möchte ich dir noch ganz kurz erzählen, was ich im Zellenkarussell aufgreife und warum. Es sind Themen, die ALLE Krebspatientinnen und -patienten betreffen. Wir haben alle sehr ähnliche Ängste und Herausforderungen zu meistern. Darauf hinzuweisen, ist mir sehr wichtig. Es geht mir dabei vor allem um Aufklärung, Hilfestellungen und Entstigmatisierung.

Das Zellenkarussell ist so konzipiert, dass ich einen bewusst lockeren und humorvollen Ton gewählt habe, um mit der Diagnose umzugehen. Meine Tipps und Erfahrungsberichte sind immer auch mit einem kleinen Augenzwinkern versehen.

Das entspricht mir als Kind des Ruhrpotts sowieso und macht es dir und deinen Angehörigen, deinen Lieblingsmenschen bestimmt auch ein wenig leichter, durch diese herausfordernde Zeit zu kommen. Die Lage ist schon kompliziert und schwer genug, da möchte ich nicht noch mit dem verbalen „Verstärkungshammer“ drauf hauen. Daher habe ich auch ganz bewusst auf Bilder mit Glatzen, Kopftüchern und Infusionsständern verzichtet. Das kennen wir alle zur Genüge.

Es würde mich freuen, wenn ich dir durch meine Beiträge wertvolle Impulse mitgeben und dir vielleicht auch hier und da ein kleines Lächeln auf die Lippen zaubern kann.


Wie ich überhaupt zum Bloggen kam, hat mit der wundervollen Hannelore Elsner und einer unverschämten Boutique-Verkäuferin zu tun.
Aber das ist eine andere Geschichte und hier nachzulesen.

Meine Geschichte – vor und nach der Diagnose Krebs

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„DAS DAUERT ETWAS LÄNGER!“  – die Vorgeschichte

Gut, Mütter machen immer gleich etwas Panik „Sofort ins Krankenhaus, sofort!“ war ihre erste Reaktion auf meinen Anruf und Beschreibung meiner Situation. Auch mein Sohn hatte zu der Zeit (im Dezember 2015) sein Medizinstudium noch nicht ganz abgeschlossen, machte aber – so dachte ich – einen auf „jungen Doc“ und gab mir, nachdem ich ihm erklärt hatte, wie mies es mir ging und dass ich jetzt so eine unschöne dicke Beule unterm rechten Rippenbogen fühlte, klare ärztliche Anweisungen. Und zwar in einem entschiedenen Ton, den ich so nicht von ihm kannte, abschließend „garniert“ mit dem eindeutigen Hinweis: „Ab ins Krankenhaus, keine Minute verlieren!“ Genau wie meine Mutter, konnte kein Zufall sein. 

„Weltraum-Herpes“ am Nikolaustag 

Es war Nikolaustag 2015, der Geburtstag meines Großvaters Nikolaus, der an diesem Tag 97 Jahre alt geworden wäre. Der 6. Dezember war in unserer Familie immer schon ein Tag mit großem Festcharakter, mit viel Lachen, einem großen lauten Durcheinander von Kinderstimmen und dem obligatorischen Weihnachtsmarktbesuch. Dieses Datum ging bei uns über die handelsübliche Nikolaustagsbedeutung hinaus.  

Wir hatten in unserer “Klimbimfamilie” wie ich sie immer nenne unseren eigenen sehr witzigen Nikolaus, der dazu noch ein ausgewiesenes Glückskind war. Er hatte immer den Riecher für die beste Entscheidung in scheinbar ausweglosen Situationen gehabt. Dieser Opa im Gepäck machte mir schon immer einiges leichter. Ich denke ich habe einen gehörige Gen-Portion von ihm geerbt.

Eine herzliche Fröhlichkeit und Offenheit gehören zu seiner und meiner DNA. Daher dachte ich auch an diesem Tag es könne nichts Schlimmes passieren und wenn doch, wird es später ein gutes Ende haben. Davon war ich, vielleicht etwas naiv, total überzeugt. Außerdem wollte ich zur Hochzeit einer Freundin.  Was sollte also schief gehen. 
 
Aber diese komische Beule, mein aktueller „Weltraum-Herpes“ – ich nenne schon immer Dinge, die niemand braucht, gerne mal verallgemeinernd „Weltraum-Herpes“ – machte mir doch etwas Sorgen und ließ mich nicht so unbeschwert sein wie sonst.  

Die Vorboten

Seit einem halben Jahr hatte ich schon einen starken Leistungsabfall beobachtet (logo, bin wohl wegen meiner Lauferei übertrainiert), immenser Gewichtsverlust (Stress im Job, was sonst) und heftiges, nächtliches Schwitzen (klar, die Wechseljahre, ich war 49 Jahre alt, das hätte gepasst. Man findet ja immer Begründungen für dies und das. Dennoch, ich ließ mir einen Termin bei meiner Hausärztin geben, nachdem die Gynäkologin einen ausgewogenen Hormonhaushalt festgestellt hatte: KEINE Wechseljahresbeschwerden, eindeutig nicht. 

Nach der Auswertung meiner Blutwerte (Leberwerte ziemlich erhöht, Thrombozyten ziemlich niedrig, 70.000) kam sie, also meine Hausärztin, zu folgendem Schluss: „Na, liebe Nella, Sie trinken wohl etwas zu viel Alkohol in letzter Zeit.“ Ich darauf: „Nicht mehr und nicht weniger als sonst und als die meisten.“ Sie lächelte mich nur milde an. Sie glaubte mir eindeutig nicht. Außerdem stellte sie die Vermutung auf eine Eisenspeicherkrankheit an und machte einen Termin beim Hepatologen im Januar 2016 aus. Also eigentlich alles im Griff. Dachte ich. Aber falsch gedacht! 

Verkannte B-Symptomatik 

Nun, um es vorwegzunehmen und die fachliche „Kompetenz“ meiner Hausärztin zu unterstreichen, ich hätte den Termin beim Hepatologen nicht mehr lebend erreicht.  
 
Dramatischer Leistungsabfall, hoher Gewichtsverlust in kurzer Zeit (acht Kilo in sechs Wochen) – ohne, dass ich dafür etwas an meinem Essverhalten geändert hätte und übermäßiger nächtlicher Schweiß deuten eindeutig in die Richtung Krebs – so steht es in jedem ärztlichen Lehrbuch unter dem Stichwort „B-Symptomatik“. 
 
Vor allem, wenn dann auch noch eine Verdoppelung der üblichen Milzgröße zu ertasten ist. Vorausgesetzt natürlich, sie hätte diese einfache diagnostische Methode überhaupt in Erwägung gezogen. Denn auch das hatte sie versäumt.  
 
Mein großer Sohn sagte später mal, das wäre eigentlich medizinisches Grundwissen, 4. Semester. Warum meine Ärztin nicht drauf kam, weiß ich bis heute nicht. Egal – vergossene Milch und Hadern bindet nur Kräfte, die man an anderer Stelle braucht.  
 
In der Zwischenzeit hatten mich weitere Nachrichten über die schlechten diagnostischen Fähigkeiten dieser Ärztin erreicht. Ich wohne zwar in einer Großstadt, aber mein Kiez ist „wie ein Dorf“.  
 
Ich will nicht zurückschauen und außerdem ist das ein anderes Thema. „Augen auf bei der Ärztewahl“ kann ich nur sagen. 

Die Ruhe vor dem Sturm 

Kommen wir zurück zum 6. Dezember und den Anweisungen meiner Lieben, doch bitte sofort ins Krankenhaus zu gehen.  

Okay, alles klar, ich habe verstanden. Ich begebe mich in die Notaufnahme. Beruhigt euch. Die werden mir schon sagen, was mit mir los ist.  
 
Aber erst einmal mache ich mich noch etwas zurecht. „Wie?“, fragt mein Mann „Du willst jetzt erst mal duschen?“ Ungläubiges Kopfschütteln, gar Entsetzen begleitete seine Frage. Als ich dann noch meine Pediküre, inklusive des Auftragens meines Lieblingsnagellacks mache, versteht er die Welt nicht mehr. 
 
Aber irgendwie hatte ich da bereits so ein ganz ungutes, undefinierbares Gefühl und habe wahrscheinlich so eine Art Übersprunghandlung vorgenommen, um den Druck aus der Situation zu nehmen. Im Nebenberuf bin ich, wie viele andere Frauen auch, eine begabte (schmunzel) Küchenpsychologin, das solltest du wissen. 

In der Notaufnahme angekommen und unterm Ultraschall liegend, entging mir nicht, dass der Arzt (Typ Christoph Maria Herbst) beim Schallen immer ruhiger wurde. So eine Ruhe, die sehr bedrohlich wirkte. Also die sprichwörtliche „Ruhe vor dem Sturm“. 

„Wir behalten Sie erst mal hier. Das muss abgeklärt werden. Das dauert etwas länger.“ 

Diese Sätze hallen heute noch nach. Denn natürlich dachte ich, „länger“ bedeutet maximal 1-2 Tage, vielleicht eine Woche. Dass daraus bald insgesamt 19 lange immer wieder stationäre Monate wurden, hatte man mir nicht gesagt. Erschwerend kommt dazu, dass das „Geduld haben“ nicht zu meinen Stärken gehört. Im Gegenteil.

Meine sehr weise Freundin Katharina sagte einmal in einer sehr fröhlichen langen durchgequatschten Nacht zu mir: „Liebelein, deine große Lebensaufgabe ist es, geduldiger zu werden.“ Ich lachte laut und nickte heftig mit dem Kopf. Sie hatte damit völlig recht. Jetzt sollte meine Gedulds(un)fähigkeit stark geprüft werden.

Im vollen Lauf erwischt 

Vor meiner Krebserkrankung (dazu gleich mehr) – also leider kein „Weltraum-Herpes“, die Beule war eine sogenannte Raumforderung meines Lymphoms – war ich ziemlich aktiv und hatte reichlich „Bälle in der Luft“. Beruflich wie privat. 
 
Ende März 2015 war ich noch Halbmarathon gelaufen und hatte im Mai am Berliner Frauenlauf (10 km) teilgenommen, mein Trainingspensum lag bei ca. 30 – 40 km Laufstrecke pro Woche. Dazu habe ich Flamenco getanzt, bin regelmäßig Rad gefahren und habe mich mit Hanteltraining fit gehalten. Auch beruflich lief alles top. Ich hatte Aussicht auf einen großen Karrieresprung. Dazu sollte es am 11.12.2015 ein Gespräch mit der Personalabteilung geben … 

Man kann also wirklich sagen, es hatte mich in vollem Lauf erwischt! 

„Das ist doch eine Verwechslung“

Als ich dann doch die Krebsdiagnose Non-Hodgkin-Lymphom (eine Form des Blutkrebses) bekam, war das für uns alle ein großer Schock. Ich weiß noch genau, dass ich den Oberarzt, der mir offenbarte, dass wir es bei mir entweder mit einer Leukämie oder einem Non-Hodgkin-Lymphom zu tun hätten, gefragt habe, ob es sich da nicht um einen Irrtum handele. Er meine doch nicht wirklich mich, sondern die Patientin auf dem Flur. „Das ist doch sicher eine Verwechselung“, hörte ich mich sagen.  
 
Ich war fassungslos und musste erst mal tief Luft holen. Dicke Tränen kullerten über mein Gesicht. Diese Nachricht war so irreal, so groß! Ich bat um eine Gedankenpause. Als ich mich halbwegs beruhigt hatte, war meine geschluchzte Reaktion: “Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, bestelle ich das Lymphom.” Mir war aus meiner PR-Arbeit für das Kompetenznetz Pädiatrische Onkologie und Hämatologie bekannt, dass diese Diagnose, die besser zu behandelnde war. 

Die Prognose 

Mein Mann beschrieb die kommende Zeit einmal mit diesen Worten: „Jeder Tag fühlt sich an wie eine Woche. Es ist einfach unmenschlich, was wir alle durchmachen. Das Tempo der Erkenntnisse ist schneller, als der Verstand erfassen kann.“ Jeder Tag brachte neue Hiobsbotschaften, neue Ergebnisse prasselten an einigen Tagen im Stundentakt auf uns ein. Wir waren schier atemlos.

Ganz am Anfang hieß es: Ja, die Diagnose ist schlimm, und ja, das dauert etwas länger – da war er wieder, dieser Satz –, aber diese Krebsart sei zu 95 Prozent heilbar, das werde schon. Die Therapie sei sehr anstrengend, aber am Ende stünde die Heilung. Aber was nutzt dir die Statistik, wenn sich nach der Ersttherapie herausstellt, dass du zu den 5 Prozent gehörst? Eine Möglichkeit, die ich komplett ausblendete. 

Außerdem – so eine der vielen beruhigenden Nachrichten – gebe es da einen Antikörper, der wäre ein wahres Zaubermittel. „Keine Sorge Nella, in einem Jahr bist du wieder auf der Piste.“ So dachte ich, so dachten alle, so war der Plan.  

Gute Voraussetzungen

Der therapeutische Ritt durch die folgenden Monate war wirklich nicht sonderlich angenehm, aber auszuhalten. Hatte ich doch durch mein sportliches Vorleben eine gute Konstitution und die Nebenwirkungen der Chemo waren nicht so heftig wie bei manch anderem. 
 
Zu Gute kam mir auch mein unerschütterlicher Optimismus und mein feiner Humor, der Hang den Dingen immer mit einer gewissen Leichtigkeit zu begegnen. Ich bin nun mal ein Mensch, der mit großer, fast naiver Zuversicht ausgestattet ist. Außerdem hatte ja mein Großvater Nikolaus am Tag der Diagnosestellung Geburtstag und der hatte immer eine riesige Portion Glück in seinem Leben gehabt. Warum sollte dieses Glück nicht auf mich abfärben?

Natürlich hänge ich dazu noch an meinem Leben und meine Kinder wollte ich unbedingt aufwachsen sehen. Ihren ersten großen Liebeskummer lindern, ihre kleinen und großen Erfolge feiern, ihnen meine Liebe geben, die sie fürs Leben stark macht.

Meinen ausgeprägten Lebenswillen hatte ich schon öfter unter Beweis gestellt. Außerdem hielt ich mich natürlich an der Aussage fest: „Dein Krebs ist gut heilbar, liebe Nella.“  

  • Wie du die erste Zeit auf der Station plant und angeht, kannst du in meinem Beitrag:  „Jetzt wird es stationär“ nachlesen. Gerade wenn du oder dein Partner/deine Partnerin ganz am Anfang der Therapie steht, sind diese Tipps äußerst hilfreich. 

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Schreckgespenst Therapieversagen

Ja, Pustekuchen. Nix war. Nach sechs Monaten und acht Zyklen mit intensiver Chemotherapie stand gefühlt das ganze Stationsteam mit bedeutungsschwangerem Gesicht an meinem Bett. So viele Doctores wie eine Handballmannschaft. Sogar meine Psychoonkologin war mitgekommen.

  • Kurzer Einschub: Visiten in dieser Mannstärke haben eine furchteinflößende Kraft, wie man damit umgeht und wie man sich vorbereitet, habe ich für euch in meinem Beitrag: „Visite, Arztgespräch und Untersuchung, das sind die neuen Meetings“ zusammengetragen. Lest gerne mal rein.

Ich ahnte nichts Gutes. Meine böse Vorahnung sollte sich leider bestätigen. Der Chefarzt holte tief Luft und überbrachte mir die Botschaft des sogenannten Therapieversagens.

Ich hatte das Wort vorher noch nie gehört,. Es ist wie ein „Fallbeil“, so viel lass dir sagen. Wham, das saß! Alle waren tief betroffen und beobachteten genau, wie ich jetzt wohl reagiere. Mir wurde heiß und mein Blut dröhnte in meinen Ohren. Ich hörte mit aufgerissenen Augen den Ausführungen meines sehr geschätzten Behandlers zu. Das Wieso und Warum erläuterte er mir in einer hilflosen Geschwindigkeit, die mich schwindelig machte und seine Niedergeschlagenheit über dieses Ergebnis zum Ausdruck brachte. Ich wusste gar nicht, wer jetzt mehr den medizinischen Rettungsring brauchte – er oder ich. Er hatte es sich so sehr gewünscht. Alle waren sich so sicher gewesen …
 
Er redete weiter wie um sein Leben. Hatte er doch schon mehr Pfeile abgeschossen, als der Standard hergab, und trotzdem dieses Enttäuschung. Mein „Sausack“, wie ich ihn nenne, war anscheinend immun gegen die Chemotherapie. Nach einem langen Vortrag über die möglichen nächsten Schritte und Behandlungsmethoden war klar, Heilung war nicht in Sicht. Ich war jetzt Palliativpatientin.
 
Das Positive daran war, dass ich genau dieses fatale Fazit komplett ignoriert beziehungsweise überhaupt erst gar nicht an mich herangelassen habe. Die Verdrängung, denke ich, gab mir die Kraft für die vor mir liegende strapaziöse Zeit. Denn es sollten noch mehr Niederschläge folgen. 

… und raus bist du …

Was dann auf mich zukam war heftiger als alles, was ich zuvor erlebt hatte. Ich versuche es im Schnellverfahren zu beschreiben: Angedacht war nach dem Scheitern einer weiteren Chemotherapie, eine autologe Stammzelltransplantation. Aber dazu sollte es nicht kommen.

Am Tag der Aufnahme im Krankenhaus dafür, fing mich mein Oberarzt ab und meinte, er hätte eine Alternativtherapie, die er mir vorschlagen wolle, weil sie sehr vielversprechend sei. Dazu müsse ich nach Köln fahren, am besten heute noch. Denn die Therapie wäre an eine Studienteilnahme geknüpft für die in zwei Tagen Aufnahmestopp sei. Die Charité hätte bereits in der Uniklinik Köln angerufen, alle wären bereit für mich, die Gespräche und Untersuchungen geplant..  

Nach einem kurzen Aufklärungsgespräch rief ich meinen Mann an, der noch auf dem Parkplatz stand und drehte samt gepacktem Rollkoffer um. Vier Stunden später saßen wir im Auto auf dem Weg nach Köln.  

Das war der Hoffnungsstreif am Horizont, die Aussicht auf die Teilnahme an der lebensrettenden Studie, der sogenannten CAR-T-Studie (die inzwischen Standard ist).

Vierzehn Tage später nach vielen Kontrolluntersuchungen und Biopsien dann wieder ein Rückschlag. Während einer kleinen Laufrunde – ich war trotz allem sehr fit – erhielt ich per Handy den Anruf, der sich für mich anfühlte wie das Ende der Welt, das Ende meiner Welt. Meine Zellen und ich passten nicht ins Schema. Sie wollten den Erfolg der Studie nicht gefährden, hieß es. Der nächste Schock für mich und meine Familie.

Mir ging es sehr schnell immer schlechter. An Laufen war nicht mehr zu denken. Ich lag nur noch im Bett und war völlig erschöpft, hatte Schmerzen und konnte die Tabletten nur noch gemörsert aufnehmen. Die Eckpfeiler meiner Beerdigung hatte ich mit meinem Mann bereits ganz ruhig und gefasst besprochen. Die Möglichkeiten waren ausgereizt, so schien es. Ich betete viel und dachte an meinen Großvater da oben.

Trotz all dieser Zuspitzungen hatte ich die Hoffnung nicht verloren und darauf vertraut, dass die Ärzte schon etwas finden werden, etwas, das mir hilft.

Das Wunder – 3 Prozent können manchmal 100 Prozent sein

Und so war es auch. Endlich. Ende Oktober 2016 wurde eine ganz neue Karte gezogen, mehr oder weniger inoffiziell und abseits der üblichen Wege starteten die Ärzte mit einer neuen Immuntherapie (die Grundlage bildete der Antikörper Nivolumab) und dem Mut der Verzweiflung einen letzten Versuch. 

Mein behandelnder Oberarzt sagte mir damals eindringlich: „Nella, wir befinden uns jetzt im experimentellen Bereich. Sie sind sozusagen Ihre eigene Studie. Es gibt niemanden, der uns bekannt ist, der auf diese Weise behandelt wird. Aber wir glauben an Sie, auch wegen Ihrer so unerschütterlichen positiven, kämpferischen Haltung.“ er sprach von einem Off-Label-Use eines Medikamentes, das für eine andere Form des Lymphoms (Hodgkin-Lymphom) zugelassen war, aber nicht für (m)ein Non-Hodgkin-Lymphom.

„Wir lassen jetzt die ‚Bluthunde von der Kette‘ und mobilisieren Ihre T-Zellen (Krebskiller-Zellen), die im Dornröschenschlaf liegen.“ So viele Bilder, aber sie helfen. Ich fand „meine Bluthunde“ gleich sehr liebenswert.

Die Erfolgswahrscheinlichkeit dieser Therapie lag damals bei 3 Prozent. Da war mehr Hoffnung denn Erwartung. Und – oh Wunder – genau diese Therapie, dieses medizinische Wagnis führte zum Erfolg. Die Ergebnisse waren super. Alle waren total „besoffen vor Glück“ – nach kurzer Zeit befand ich mich in sogenannter Remission.

Niemand hätte auch nur einen Pfifferling darauf gewettet, dass das funktioniert. Nur ich war immer davon überzeugt, dass ich irgendwie wieder aus dieser Scheiße (sorry) rauskomme. Ich weiß auch nicht, woher ich diese Zuversicht genommen habe, aber es war so tief in mir verwurzelt und am Ende sollte ich ja auch Recht behalten.

„Und jetzt noch eine Stammzelltransplantation? Hilfe!“

Nach diesem „Wunder“ – das war die eindeutige Einschätzung der Ärzte – war dann „die Bühne frei“ für eine Fremd-Stammzellenspende. Das ersehnte Plateau war erreicht. Mit meinen eigenen Stammzellen wäre das Risiko eines Rezidivs zu groß gewesen. Diese Therapie sollte die Remission absichern. Für meinen Off-Label-Use gab es keine belastbaren Erkenntnisse, ich war ja eben die einzige Probandin.

Vorher wäre übrigens eine Stammzelltransplantation rein medizinisch nicht realisierbar gewesen, meine Blutwerte waren viel zu schlecht. Ich hätte sie nicht überlebt. Aber jetzt standen die Chancen gut.

Stammzelltransplantation! Grusel. Genau das wollte ich nie! Ich hatte mächtige Angst vor dieser Therapie, hatte ich doch schon viele Horrorgeschichten von Mitpatienten gehört, die in Foren unterwegs waren.

Anmerkung meinerseits an dieser Stelle: Meidet solche Plattformen! Da ist sicher viel Wahres, Schicksalhaftes drin. Aber jede Erkrankung ist anders, hat eine andere Vorgeschichte, andere Verläufe. Nichts ist vergleichbar oder besser, Schilderungen können maximal eine Annäherung sein und machen mehr Angst als alles andere. Außerdem, Erfolgsgeschichten finden hier nicht statt. Wie gesagt, das ist meine bescheidene, persönliche Ansicht dazu.

Spender gesucht – und gefunden

Die Suche nach einem passenden Spender (mehr zu diesem Teil meiner Geschichte könnt ich hier nachlesen) wurde schnell eingeleitet und dann kam die Nachricht: Ja, wir haben sogar zwei mögliche Spender gefunden! Zwei mir völlig unbekannte Menschen hatten eine genetische Übereinstimmung von 100 Prozent. Beide hatten sich typisieren lassen. Völlig selbstlos! Unfassbar. Selbst ich hatte mich – als ich noch gesund war – nicht mit dieser Option beschäftigt.

Dass aber mein Spender die Sache durchgezogen hatte, war der Jack Pott für mich und das habe ich eigentlich auch erst nach meinem „Zweijahresüberleben“ so richtig verstanden! Einfach unbeschreiblich! Denn es kommt natürlich auch vor, dass man niemanden findet. Oder der Spender im letzten Moment abspringt, auch das gibt es. Ich bin Falk so unendlich dankbar!

Zweiter Geburtstag

Am 23. Juni 2017 (mein zweiter Geburtstag) wurden mir gegen 15 Uhr die neuen Stammzellen per Infusion in der Uniklinik Münster verabreicht. Gott sei Dank liefen die fast vier Wochen in der Isolation für mich sehr störungsfrei und komplikationslos ab.

Ich war zwar recht schwach, aber sonst ging er mir einigermaßen. Erst danach folgten ein paar sehr unangenehme Abstoßungsreaktionen (Graft-versus-Host-Reaktionen, GvH-D). Ich hatte Hautausschlag, musste künstlich ernährt werden und hatte Blasenprobleme.

Aber das bedeutet auch, dass das neue Immunsystem gegen das alte – also meines – kämpft. Gesetzt war: Das Spendersystem sollte und musste gewinnen. Und so war es dann auch, Ich bin seit dem krebsfrei.

Heute sind noch die Lunge (30 % Lungenkapazität) und meine Augen betroffen. Was mich aber nicht davon abhält 10 Kilometer zu walken und im Chor zu singen. Ich habe Techniken, wie zum Beispiel auch die Atemmediation, gefunden, um mit meiner verminderten Sauerstoffkapazität umzugehen. Wegen meiner Augen werde ich regelmäßig durchgecheckt und habe auch das sehr gut im Griff. Alles nichts im Vergleich zu dem, was auf dem Spiel stand. Und wenn ich dann noch mal etwas traurig bin, dass ich keinen Marathon mehr laufen kann, denke ich an meinen allertiefsten Tiefpunkt. Und zack, geht es mir besser.

Ich bin wieder da!

Oder anders gesagt: Ich bin wieder da! Und das habe ich – neben meinem Spender Falk – so vielen Menschen zu verdanken. Und natürlich nicht zu vergessen, mir selbst. Meiner Entschlossenheit und felsenfesten Überzeugung, dass ich da schon irgendwie wieder raus komme. Außerdem hatte ich eine große Portion Glück. Denn das braucht man auch. Unbedingt.

Wenn du mich jetzt fragst, wie ich das gemacht habe, kann ich nur sagen: Das weiß ich gar nicht so genau. Vielleicht ist es diese Mischung aus Humor, der Sehnsucht nach Leichtigkeit und der unerschütterlichen Zuversicht, meiner Gesamthaltung mich nicht unterkriegen zu lassen, mich immer zu informieren – viel mit Ärztinnen und Ärzten reden – und dran zu bleiben und bestimmt auch das Gespür für Menschen und Timings.

Meine Credo lautet nach diesen Erfahrungen aus voller Überzeugung:
Gib dich niemals auf. Niemals.
Auch Zeitgewinn kann ein großer Therapieerfolg sein. Die Forschung schreitet unheimlich schnell voran.

Ach, und wenn du mich nach all dem fragst: „Und Nella, bist du nun geduldiger geworden?“ Antworte ich dir mit einem klaren JEIN.

Übersetzt heißt das: Im kleinen ja. Zum Beispiel beim Warten in der Schlange an der Supermarktkasse oder in Stausituationen. ABER nicht bei Ämtern, Versicherungen, Arztterminen oder noch schlimmer bei meinen eigenen Projekten.

Ich weiß eben, dass alles sehr schnell vorbei sein kann., dass unnötige Verzögerungen uns manchmal teuer zu stehen kommen können. „Das geht hier alles von meiner Lebenszeit ab.“ ist ein Satz, der das gut auf den Punkt bringt und den ich in diesem Kontext gerne anbringe.

Alles Liebe
Deine Nella – ich bin wieder da!

Sehr lesenswert:
Mein Lieblingsprojekt im Zellenkarussell ist eine Art „Interview-Beitrag“ den ich bereits zwei Mal mit wunderbaren Menschen umsetzten durfte.
Dreißig Antworten auf die Frage: „Willst Du Dein ALTES Leben VOR der Krebsdiagnose ZURÜCK?“ – Nellas Blogaktion 2024 – Zellenkarussell

Nachtrag

Anlässlich meines fünften „Zweiten Geburtstages“ (23.06.2022) nach der Stammzelltransplantation.
Jetzt bin ich auch wissenschaftlich betrachtet offizielle Cancer Survivorin!

Einige der viiiiielen lieben Wünsche und Reaktionen. DANKE euch, Ihr seid wunderbar.

„Das macht wirklich Mut …
bin im 2. Sommer meiner Krebserkrankung und oft sooo mutlos.“
Meine Antwort:
„Ach, du Liebe, wie du gelesen hast, kenne ich das auch. Ich habe immer versucht, sofort wieder den Fuß in die Tür zu stellen, wenn sie nur einen klitzekleinen Spalt aufging. Und dann war ich wieder da.

Lass den Mut nicht sinken, versuche jeden Moment aufzusaugen, der dich glücklich macht. Ein schönes Gespräch, eine liebe Umarmung, eine schöne Tasse Kaffee – für mich ganz wichtig, ein besonderer Sonnen-untergangsmoment …

„So schön, dass du das machst. Derartiges zu erleben macht demütig. Und man kann viel mehr schätzen, was man hat.“

„Wow – Nella – danke für das Teilen deiner dunkelsten Stunden und Hut ab, dass du jetzt anderen in dieser schlimmen Zeit hilfst.“

„Mir geht es genauso! Dankbar staunend und explosiv glücklich.“

„Ich finde das großartig! Augenblicke genießen und das Glück festhalten.“

„Ich wünsche Dir auch weiterhin viel Kraft und Zuversicht … fühl Dich ganz doll gedrückt,“

„Herzlichen Glückwunsch liebe Nella Wahnsinn, was du alles geschafft hast, ich drück dich. Happy Birthday.“
Ich dazu: „Ich habe mich lange nicht getraut, meine körperlichen Tiefs zu benennen. Das tat einfach zu weh. Ich hoffe, ich erreiche damit ein paar Betroffene, die denken, dass es nicht mehr weiter geht …“

„Danke fürs Teilhaben lassen und herzlichen Glückwunsch!!! Du wirst so vielen Menschen Hoffnung, Mut, Kraft und Willen schenken – danke dafür!“

Ich lade dich herzlich ein: Werde Teil der Zellenkarussell-Community.

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