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Was ist dein Angehöriger für ein Typ – 1, 2, 3, 4 oder 5?

Angehörigen-Typen von Krebspatienten

Liebe Angehörige,

einen an Krebs erkrankten Lieblingsmenschen zu begleiten, ist nicht einfach. Ich habe es selbst auch schon erlebt, als Freundin, als sogenannte „BFF“, habe ich über vier Jahre nach der Diagnose Brustkrebs mein „alter ergo“ begleitet.

Als ich Suzanne – vor mehr als 19 Jahren – sagte, dass ich mich so hilflos fühle, antwortete sie:
„Weißt du, jeder macht es anders. Ich freue mich immer, wenn wir reden und zusammen lachen können. Das hilft mir so sehr. Du machst es mir leicht, meine Krankheit für einige Zeit zu vergessen.“

Bei meinem letzten Besuch, lag sie schon im Koma. Es ging auf einmal alles sehr schnell.

Der Text „Was ist dein Angehöriger für ein Typ?“ ist auch vor diesem Hintergrund entstanden.

Wie gesagt, ich weiß, dass es nicht einfach ist, „nur“ dabei zu sein.

Herzlichst, die Nella
P.S.: Danke an Karin, die mich noch mal an meine „Angehörigen-Vorgeschichte“ erinnert hat.


Glücksspiel im Wartezimmer

Sechs Wochen hatte ich Ruhe, jetzt muss ich wieder hin, das Taxi wartet schon, es ist „Nachsorge-Time“.

Obwohl meine Stammzelltransplantation auch schon dreieinhalb Jahre her ist, werde ich noch mindestens alle vier Wochen gecheckt.

Für mich bedeutet das immer wieder latente Anspannung, Taxi buchen und ab in die Charité.

Wer die Charité kennt, weiß, dass das eine große „Abfertigungsmaschinerie“ ist, in die ich dann eintauchen muss.

Ein Gang, der mir immer viel abfordert. Daran kann ich mich einfach nicht gewöhnen.

Zur Zeit ist es besonders speziell.

Der Ordnungsdienst in Neonweste fängt mich gleich hinter der Drehtür ab und stellt sich breitbeinig vor mir auf:

„Haben Sie Termin?“

Mein Codewort lautet: Onko-Ambulanz.

„Haben Sie Beweis?“

„Nein, aber Sie können gerne dort anrufen. Die warten auf mich.“

Er schaut mich skeptisch an, zögert und macht dann doch den Weg frei, er lässt mich ziehen.

Absurd, aber notwendig. Ich weiß.

Gleich heißt es: tief Luft holen und durch. Das Wartezimmer der Onko-Ambulanz ruft.

Ich nenne es „den Flur der Schweiger und gesenkten Köpfe“.

Durch dieses Défilé muss ich durch, bis ich zur Anmeldung komme und meine Wartemarke ziehe.

Auch hier schauen die meisten Patienten mit leerem Blick auf den Boden oder vor sich hin und die Angehörigen sitzen unsicher bis angstvoll  daneben.

Es gibt eine Hand voll Patienten, die zuversichtlich dreinschauen und offen in die Runde blicken.

Das ist aber eher die Ausnahme, denn die Regel.

Die Atmosphäre hat etwas Bedrückendes.

Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, fröhlich „Guten Morgen“ oder mindestens „Hallo“ zusagen. Und, komisch, viele schauen erst etwas erschrocken hoch, als hätte ich sie aus einem fernen Traumland geholt, quittieren meinen Gruß dann aber doch mit einem leichten Lächeln.

Dieses kleine Aufblitzen ist wie ein kleines Geschenk, ein „Hallo-ich-bin hier-ich-hab-mich-nur-versteckt“.

Ich versuche immer jemanden zu finden, der mir ein positives Zeichen gibt.

Meist gelingt mir das auch und ich habe dann richtig nette, sogar lustige Gespräche. Wenn das ist geschieht, ist das ein echter Jackpot. Du weißt vorher nie, wie der Termin, die Wartezeiten verlaufen werden, wem du begegnest.

Wie auch.

Es ist wie beim Roulette.

Manchmal läuft die Kugel für dich, manchmal nicht. Und manchmal gelingt es mir, den Lauf der Kugel zu steuern.

Wenn ich aber selbst nicht gut drauf bin, wird das nichts.

Auch das kommt vor.

Gefühlsblasen, die einem die Luft nehmen.

Was ich damit meine?

Nun, die Begleiter (Freunde, Angehörige, Betreuer etc.) haben einen großen Einfluss auf die Stimmung in diesem Setting, also im Wartezimmer.

Sie bringen ihr eigenes „(Angst)päckchen“ mit, dass jeder anders einwickelt und gestaltet.

Manchmal erkennt man schon von außen, was sich hinter der Verpackung verbirgt. Wie bei einer Ferrero-Küsschen Packung oder einen Ball.

Meist jedoch nicht.

Was sich aber nie vermeiden lässt: Es entstehen starke Gefühlsblasen, die sich im Wartebereich oder dem Therapieraum breit machen und dir die Luft nehmen.

Am liebsten würde ich eine imaginäre Nadel nehmen und sie zum Platzen bringen. Obwohl: Die aufgestauten, unausgesprochenen Gedanken in dieser Blase würden es auch aus sich heraus schaffen, so angespannt ist die Szenerie.

Meist wäre es besser, sie kämen gar nicht erst mit.

Ehrlich.

Viele sind dafür einfach nicht gemacht und erweisen ihren „Leuten“ einen Bärendienst.

Ich muss es mal so offen sagen.

Einer weniger, ist manchmal mehr.

Ich bin viel (eigentlich immer) allein unterwegs bei diesen Terminen.

Erstens, weil niemand Zeit hat (das Prozedere dauert im Schnitt mindestens vier Stunden) und zweitens, weil ich weiß, wie es meinen Mann belastet. Ich selbst komme mit der Situation einigermaßen klar, er aber eben nicht.

Zugegeben, es gibt schönere und vor allem fröhlichere Orte.

Wir haben dieses Agreement gar nicht offiziell beschlossen. Mussten wir nicht. Es hatte sich so ergeben.

Ich habe einen guten Draht zu meinem Arzt und ich verstehe (nicht nur akustisch), was er sagt. Wenn ich nicht alles gedanklich untergebracht habe, maile ich ihm später oder rufe ihn noch mal an. Das alles ist inzwischen eingespielt.

Es ist besser, wenn ich die Nachsorgetermine allein wahrnehme. Es reicht, wenn wir uns danach besprechen. Es ist quasi mein Terrain. Wie eine Teambesprechung im Job. Da war mein Mann auch nie dabei.

Anders ist es natürlich, wenn man „neu in dem Geschäft ist“ oder weichenstellende Besprechungen anstehen.

Da war mein Mann häufig dabei und wenn es ging, meine Mutter. Sie hat mit ihrer ruhigen und besonnenen Art vieles abgefedert.

Da hatte ich Glück.

Danke dafür.

An beide.

Wenn Begleitung zur Belastung wird

Was ich beobachtet habe, ist das Folgende.

Es gibt aus meiner Sicht fünf verschiedene Begleiter-Typen:

Erstens. Die Überängstlichen und Klammernden.

Sie lassen ihren erkrankten Angehörigen nicht eine Sekunde aus den Augen, nehmen ihm alles ab und schauen ängstlich in der Gegend rum.

Gerade in dieser Gruppe habe ich öfter das Ballermann-Liegenreservier-Verhalten beobachtet. Während der Patientenangehörige zur Blutentnahme ist, warten sie schon mal vor dem Sprechzimmer. Was ich persönlich – moderat formuliert – schwierig finde. Das ist nicht fair.

Zweitens. Die rustikalen Verdränger.

Sie sitzen betont lässig daneben und versuchen lockere Sprüche rauszuhauen. „Du musst nur an deiner Einstellung arbeiten, dann klappt das schon.“ Oder „So wie du abgenommen hast, kannst du auch bald bei Germany´s Next Top Model teilnehmen.“

Drittens. Die informierten Macher.

Die haben alles gelesen, was es im Internet gibt. Empfehlen dir ständig irgendetwas, was du jetzt tun musst.

Sie haben einen genauen Plan erstellt und reißen alles an sich, nehmen dir alles ab/weg. Das geht von Therapien über die Ernährung bis hin zum ausgeklügelten Bewegungsprogramm.

Viertens. Die Genervten.

Das sind die, die neue Situation nicht akzeptieren können/wollen. Sie sind eine Mischung aus unterschwellig aggressiv und schlecht gelaunt, Wenn ich das sehe, kommen mir fast die Tränen.

Sie beschuldigen die oder den Erkrankten, dass er/sie ihn in diese Situation gebracht hat.

„Wie stellst du dir das denn vor? Ich kann mir nicht jedes Mal frei nehmen, wenn du einen Arzttermin hast.“ Oder „denk dran, du musst heute noch kochen.“ (Diese Sätze, so unglaublich sie klingen, habe ich tatsächlich schon gehört.)

Fünftens. Die Tapferen.

Sie sitzen liebevoll und ruhig daneben. Versuchen sich nichts anmerken zu lassen und schauen, dass es der/dem Erkrankten gut geht. Sie bedrängen nicht. Sie fragen, reden oder hören einfach nur zu.

Wenn du einen Angehörigen hast, der der letzten Gruppe, also Typ fünf angehört, dann bedanke dich von Herzen bei ihm, bei ihr. Diese Menschen sind so unglaublich wertvoll und verdienen es, von uns gefeiert zu werden.

Sie sind ein wahres Geschenk.

DANKE.

Wie sage ich es?

Und die anderen – bis auf die Genervten vielleicht – kriegen wir auch noch hin. Sie meinen es ja gut mit uns und wollen uns beschützen, uns helfen. Mit denen kannst du und solltest du reden.

Du könntest ihnen zum Beispiel sagen, dass dir seine/ihre Ängstlichkeit etwas ausmacht. Bitte ihn/sie mit dir zusammen eine positive Denkrichtung einzunehmen, etwas locker zu lassen, weil dich ihr Verhalten, ihre Sorge um dich erdrücken.

Auch die Verdrängertypen haben Ängste, die sie nicht trauen anzusprechen – schon gar nicht vor dir – und landen manchmal einen unsicheren und unangebrachten Spruch.

Vielleicht brauchen sie professionelle Hilfe, also einen Psychologen, eine Psychologin. Das ist nichts Schlimmes und kann euch beiden helfen.

Da können sie auf neutralem Boden los werden, was sie belastet, ohne dich zu belasten.

Das Gleiche gilt im Grunde für die Macher, sie wollen stark sein, für dich.

Mache ihnen klar, dass du gerne auch Verantwortung für dich übernehmen möchtest und sie dir mehr helfen, wenn du die Dinge ansprichst, die sie für dich tun können.

Du entscheidest, was dir hilft. Sie können dich gerne fragen, was das sein könnte und was sie dir abnehmen können. Bitte nicht ungefragt und dabei deine Bedürfnisse übergehen.

Nach dem Motto: „Ich weiß schon, was für dich gut ist.“

Das kann auch gefährlich sein, da diese Annahme oft genug auf Hören sagen, Medienberichte, die aus dem Kontext gerissen sind oder auch auf Recherchen aus dem Internet beruhen, die den Einzelfall nicht berücksichtigen, weil sie ihn nicht kennen. Die Grundlage dieser „Trugschlüsse“ sind schlicht falsch.

Bitte lies dazu auch noch mal den Beitrag „Subjektive Krankheitskonzepte“ mindern die Lebensqualität von Patienten oder höre dir die entsprechende Podcastfolge dazu an.

Kochen kann man lernen.

Von den Genervten solltest du dich emanzipieren oder besser noch dich von ihnen trennen.

Eine so negative Grundstimmung und dazu noch verpackt in einen Vorwurf, um dir ein schlechtes Gewissen zu machen, kannst du wirklich nicht gebrauchen.

Versuche dir anderweitig Hilfe zu holen. Lass dir zum Beispiel eine Transportverordnung ausschreiben und bestelle dir dann ein Taxi, die Kosten werden von der Krankenversicherung übernommen.

Und schöne Grüße an den Angehörigen aus meinem Beispiel: Kochen kann man lernen.

Versuche dir ein wohltuendes Netzwerk aufzubauen, eines, dass dir Kraft gibt und nicht deine letzten Reserven anzapft. Ich hoffe, das geht. Nein, ich weiß, dass das geht.

Wartebereich oder Kindergarten?

Als ich da im Wartezimmer saß, letzte Woche, hatte ich es mit der überängstlichen Version zu tun.

Sie, die „Ängstliche“, schirmte ihren Mann komplett ab und fragte ständig: „Kannst du das? Hast du das verstanden? Traust du dir das zu?“

Denn sie wurde von der Schwester aufgefordert, diesen Bereich zu verlassen. In Coronazeiten dürfen sich Angehörige nicht im Wartebereich der Patienten aufhalten. 

Sie müssen vor die Tür und in einem speziellen Bereich Platz nehmen. Zusammen mit allen anderen Angehörigen.

Als ich sie alle dort sitzen sah, muss ich zugeben, dass das etwas von einer Kindergarten-Abholsituation hatte.

Vielleicht fragen sie sich auch untereinander: „Was hat Ihrer denn? Seit wann hat er das denn schon? Bei wem isse/r denn in Behandlung?“

Die meisten waren Frauen Ü 65. Der Anblick war bizarr.

„Sie kennt das nicht von mir.“

Auch die eingangs beschriebene Helikopter-Ehefrau (ebenfalls Ü 65) musste dort Platz nehmen.

Kaum war sie weg, entspannte sich ihr Mann merklich, schaute mich an und sagte, als hätte er meine Gedanken gelesen: „Sie kennt das nicht von mir, ich war immer kerngesund.“

Es dauerte nicht lange und wir plauderten munter über Urlaube, Krimis und Motorräder. Nix von: „Verstehst du das?“ Oder: „Schaffst du das?“

In der Blutentnahme warfen wir uns aufmunternde Blicke zu. Denn bei ihm wie bei mir hatten die Schwestern Mühe, an den roten Saft zu kommen.

Wir flachsten hin und her.

Danach trafen wir uns vor dem Arztzimmer wieder.

Und: Sie war auch wieder da.

Es wurde gleich eisig.

Er merkte es nur noch nicht.

Er berichtete ihr amüsiert und locker, worüber wir gesprochen hatten und stellte mich vor. Außerdem zeigte er ihr meinen Infoflyer: „Das müssen wir uns zu Hause mal ansehen, Sonja-Schatz. Dieses Zellendings finde ich gut.“

Sie scannte mich von oben bis unten und drehte mir demonstrativ den Rücken zu, knautschte meinen Flyer in ihre Tasche und nahm ihn wieder in „Ehefraudeckung“.

Die Lage ist ernst. Lachen verboten.

Er lächelte mir entschuldigend über ihre Schulter hinweg zu.

Ganz schön „ver-rückt“.

Das Ganze hatte etwas Absurdes, denn natürlich hatten wir beide keine amourösen Absichten.

Wir wollten nur leichter durch die Zeit kommen, einfach munter plaudern.

Er wünschte mir via Luftsprache „alles Gute“ und kniff ein Auge zu.

Ich wurde aufgerufen und marschierte schmunzelnd ins Arztzimmer. Auch im Taxi musste ich noch grinsen.

Das ist schon alles „ver-rückt“. Im wahrsten Wortsinn.

Was ich dir/euch eigentlich sagen möchte, ist Folgendes:

Macht es euch selbst nicht so schwer, die Situation ist schon schwierig genug.

Redet miteinander und bleibt offen für andere.

Meine Leseempfehlungen:

1. Drei Arzttypen, meine Frau und ich – DocCheck

Dieser Beitrag ist bisher nur auf DocCheck erschienen und beschreibt, wie ein Angehöriger die Begegnungen mit den Ärztinnen und Ärzten erlebt hat – inklusive „Arzt-Typologie“.

Was die Ärzte dazu sagen? Nachzulesen in den Kommentaren am Ende des Artikels.

2. „Good Doc´s“ – Meine Sternstunden im Arzt-Patientenverhältnis – (zellenkarussell.de)

3. Feingefühl Fehlanzeige – Zellenkarussell

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4 Gedanken zu „Was ist dein Angehöriger für ein Typ – 1, 2, 3, 4 oder 5?

  1. Liebe Nella, ich mache es kurz: meine älteste Schwester ist im letzten Jahr an einem Bronchial-Ca. gestorben, meine mittlere Schwester hat ein Bauchspeicheldrüsen-Ca., vor 4 Wochen diagnostiziert. Ich habe Deine Seite gefunden, kein Zu- sondern eher ein Glücksfall, da bin ich mir sicher. Habe schon ziemlich viel gelesen und natürlich, darum geht es mir ja im Moment: wie gehe ich mit meiner Schwester um. Jetzt habe ich (leider) schon fast ein bisschen Erfahrung, habe meine Schwester Petra, die alleinstehend war, so ziemlich begleitet, bis ins Hospiz und muss betonen, dass wir eine rundherum mit Nichten, Neffen, Enkelkindern und 90-jähriger Mama eine tolle Familie sind. Dennoch – der Tod von Petra hat uns hart getroffen, zum ersten Mal von 0 bis 100 alles miterlebt und durcherlebt. Als meine Schwester Heidi mir die Diagnose mitteilte, hatte ich den überaus kindlichen oder kindischen Wunsch mich unter einem Baum oder doch wenigstens unter dem Bett zu verstecken. Nützt nichts. Am wenigsten meiner Schwester. So, nun lese ich, was man als Angehöriger alles nicht sagen, nicht tun nicht nicht nicht machen sollte. Oder auch tun sollte. Es ist mehr als schwer. Denn die Frage „wie geht es Dir“ ist ernst gemeint, ist ein Einstieg in ein Gespräch. Soll ich denn tatsächlich meiner Schwester jetzt von den reduzierten Schuhen oder den Muskelschmerzen hahahaaaa nach der Coronarimpfung erzählen? Oder von dem leckeren Essen? Oder gar von der ganzen Flasche Wein, die ich heulend getrunken habe? Schwer, ich sag es Dir – und selbst diese Bemerkung mag doch schon wieder anmaßend sein „Schwer…sei Du mal in MEINER Situation“. Sorry, Nella, ich schreibe ich meiner viel zu kalten Küche, viel zu spontan und habe grad großen Respekt davor, meine Schwester anzurufen. Sie hat übrigens eine 52 Stunden Chemo hinter sich und möchte gerne abbrechen, nein, sie soll aber nicht abbrechen. Darf ich das denn sagen? Ich bin gläubig und ich bete und das erfreut meine Schwester, das weiß ich. Leite ich ihr diese Seite weiter? Übrigens ist sie in Angst erstarrt. Die Angst hat eine große undurchsichtige Hülle über sie geworfen. Die Angst war schon vor der Erkrankung da, jetzt hat sie ein Riesen-Ausmaß angenommen. So, einfach mal alles so geschrieben. Ich freue mich über eine Antwort, wobei ich doch auch noch hier auf dieser Seite viel zu lesen und zu lernen habe. Ganz liebe Grüße Karin.

    1. Liebe Karin, was ich dir sagen kann ist, ich war tatsächlich schon in DEINER Situation. Ich habe meine allerliebste Freundin vor inzwischen fast zwanzig Jahren begleitet, bis sie nach einem vierjährigen Kampf gestorben ist. Das war sehr, sehr hart für mich. Sie war gerade mal 46 Jahre alt und ich 36.
      Ich weiß noch sehr genau, wie hilflos ich mich fühlte. Sie hat damals zu mir gesagt, als ich ihr offen sagte, was alles in mir vor ging: „Weißt du, Nellalein, du bringst mich immer zum Lachen und bist mein Fenster zur Welt. Du ahnst gar nicht, wie viel mir das bedeutet, wie du mich mit deinem Humor beschenkst.“ Als sie starb, war ich in ihrem Krankenzimmer und habe so heftig gegen das Spülbecken getreten, dass ich mir den Fuß verknackst habe.
      Vielleicht hätte ich diese, meine „Vorgeschichte“ , diesem Beitrag voranstellen sollen. Evtl. mache ich das noch.
      Katharina und ich hatten damals verabredet, dass ich sie immer frage, ob ihr dies oder das recht ist. Auch, dass ich sagen kann, wenn es mir mal nicht gut geht. wir haben uns immer respektiert und hingehört. Katharina war eine sehr starke und stolze Frau.

      Den Baum, unter dem du dich verkriechen möchtest, hätte ich damals auch gerne öfter mal aufgesucht. Ich bin da sehr bei dir.
      Dein Glaube kann dir jetzt gut helfen. Ich habe auch öfter gebetet, wenn ich nicht weiter wusste.
      Nutze die Zeit, den Augenblick, die Gespräche mit deiner Schwester. Höre ihr zu und mache immer wieder mal Angebote: „Was hältst du davon, wenn wir einen kleinen Spaziergang machen.“ Oder „Ich habe einen neuen Tee entdeckt, den möchte ich gerne mit dir trinken.“ etcpp. Und: Du darfst auch mal laut „Scheiße“ sagen.
      Ich zum Beispiel wollte immer über andere Dinge sprechen, als über meine Krankheit.
      Als ich am Boden war und nichts mehr machen wollte, sagte meine Mutter zu mir: „Kind, du wirst hier noch gebraucht.“ Das hat mir damals sehr geholfen und ich habe die Therapie dann durchgezogen, obwohl ich ahnte, was auf mich zu kommt. Rede mit deiner Schwester, aber respektiere auch ihren Entschluss (sollte der anders ausfallen, als von dir gewünscht).
      So, jetzt habe ich aber auch sehr viel geschrieben (gesabbelt) und hoffe, dir ein wenig geholfen zu haben.
      Fühl dich fest gedrückt von deiner Nella
      Alles Liebe

      1. Liebe Nella – erst jetzt antworte ich auf Deine Antwort aber die Zeit fliegt dahin und scheint doch an irgend einer Stelle stillzustehen. Deine Antwort hat mir geholfen! Vielen Dank dafür und jetzt sehe ich, dass Du noch die Geschichte Deiner Freundin mit aufgenommen hast, das ist toll und bestimmt auch für viele, die hier in Deinen Blog schauen, eine Hilfe. Ich habe langsam in meinem Gehirn aufgenommen, dass ich die Entscheidungen meiner Schwester annehmen und respektieren muss. Das ich natürlich sagen darf, wie „Scheisse“ ich das alles finde und ihr dennoch vom Alltag erzählen. Wie Du schon geschrieben hast, das findet sie auch richtig gut, ein normales Gespräch zu führen. Meine Traurigkeit ist immens, wäre aber auch unschön, wenn es anders wäre. Nochmals Danke für Deine Antwort und überhaupt für diesen Blog. Ganz liebe Grüße Karin.

        1. Liebe Karin, ich sende dir ganz, ganz liebe Grüße und freue mich, dass du und deine Schwester miteinander reden könnt. Das ist ein schönes Geschenk. Viele schaffen das nicht.

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