2 Zweite Phase - TherapieKrankenhausgeschichten

„Serafina“ – Oder die süße Seite einer Stationsdiva

Daily Soap in Zimmer 38

(aus gegebenem Jahresanlass aktualisiert)

In meiner kleinen Reihe „Auf gute Nachbarschaft“ geht es in dieser „Bettgeschichte“ um ein ganz besonderes „Exemplar“ der zwischenmenschlichen Begegnung.
Ihr gebührt ein ausführlicherer Text, denn so eine Inszenierung ist in seiner Einzigartigkeit kaum zu übertreffen. Jede andere Geschichte würde nur im Schatten stehen, daher hier nun eine einzelne ausgewählte Story, ein echtes „Schmuckstück“ unter den Stationsepisoden.

Ich nenne meine Protagonistin Serafina, gegen die übrigens selbst die Tupper-Lady Britta reine Erholung war (der Zellenkarussell-Fan-Block kennt Britta bereits). Diese Dame hier brachte mich definitiv an den Rand – auch meine Toleranz kennt Grenzen. Ihr werdet schnell merken, was ich meine.

Die Luft steht

Eine Onko-Station ist kein „Streichelzoo“, wir alle sind und waren krank, der „Kammerton“ wird von Demut und Respekt gesetzt.

Serafina setzte dazu einen Kontrapunkt.
Sie war laut und bunt.

Sie erschien (ich benutze dieses Wort bewusst) im wehenden Mantel mit einer schrillen Wintermütze auf dem Kopf, umgeben von einer Duftwolke aus schwerem Parfüm in der Tür.

Kein Klopfen. Sie rauschte dynamisch rein und musterte sofort kritisch das Zimmer – und mich natürlich. So, als hätte sie die Wahl und könnte sagen: „Nein, das gefällt mir hier nicht. Zeigen Sie mir bitte ein besseres Zimmer mit einer schöneren Aussicht.“

Stattdessen stellte sie mit einem Seufzer ihr gesamtes Gepäck (bestehend aus drei Teilen. Wobei der Kosmetikkoffer fast so groß war, wie der Reisekoffer.) neben ihr Bett. Wir hatten beide noch keine zwei Worte gewechselt, da wirbelte sie auch gleich herum, hängte ein Bild ab und sperrte die tickende Uhr ins Badezimmer.

„Das stört Sie doch sicher auch“, sprach sie und schaute mich provokant abschätzig an. „Außerdem sollte das Fenster besser offen stehen. Sie liegen ja direkt am Fenster, dann können Sie das gleich mal erledigen. Die Luft steht hier.“ Dabei machte sie eine fächelnde Handbewegung und verschwand erst mal, ihren Kosmetikkoffer fest im Griff,  türknallend im Bad.

Uffz, das war keine neue Zimmergenossin, das war eine Art Heimsuchung.

Was hatte ich verbrochen, dass mir das Schicksal diese FRAU schickte? Ich ahnte, dass sie sich im Bad erst mal ordentlich austoben und die Anordnung meiner Tübchen und Täschchen nicht so lassen, sondern mit großem Vergnügen ihre gestalterische Duftnote setzen würde.

Der Blick, der dann die Szene bestimmte, bestätigte dies.
Mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck und weiterhin straffer Körperhaltung betrat sie wieder die Bühne, also unser Zimmer.

Zimmer 38 – der erste Akt

Ein Gedanke hatte sich, während sie im Badezimmer wirkte, nicht abschütteln lassen, ich kannte sie irgendwoher. Woher bloß? Dann erleuchtete mich ein Gedankenblitz und ich sah alles ganz klar – ich habe nämlich ein wahnsinnig gutes Personen- und Namensgedächtnis.

Natürlich, ohne Zweifel, das war die Darstellerin aus einer mir bekannten Daily Soap.

Sie kam extra aus NRW und hatte sich unter einem Aliasnamen (diese Möglichkeit ist Prominenten zu ihrem Schutz vorbehalten) in der Klinik „eingebucht“ und lag nun neben mir in derselben reichlich nüchternen, nicht gerade pompösen Krankenzimmerkulisse eines öffentlichen Krankenhauses.

„Klappe, die erste, wir drehen.“

Einfach nur anstrengend

Sie dagegen war weiter in ihrer aktuellen Selbstinszenierung verstrickt und sah mich strafend an:
„Das Fenster ist ja noch immer geschlossen!“
„Nun“, sagte ich, „stimmt, und das wird auch so bleiben. Ich liege nämlich wegen einer akuten Lungenentzündung hier und darf Sie außerdem darauf hinweisen, dass es Januar ist und wir der Jahreszeit entsprechend draußen Minustemperaturen haben.“

Die Theatralik, die in ihrem vorwurfsvollen Blick lag, war filmreif. Sie nahm Anlauf, um mir etwas zu entgegnen, aber es fiel ihr wohl nichts Passendes ein. Widerspruch war sie nicht gewohnt. Einfach nur anstrengend.

Daher beschloss sie, sich erst mal geräuschvoll und stöhnend ihrem Gepäck zuzuwenden. Das technische Equipment stapelte sich auf ihrer Bettdecke und das Mobiltelefon klingelte ohne Unterlass.

Schließlich verließ sie das Zimmer auf eine Zigarettenlänge und betrat mit tabakrauchgeschwängerten Klamotten nach kurzer Zeit wieder den Raum. Kurz, es stank „nach Kneipe“. Ich öffnete für ein paar Minuten das Fenster. Die Lage entspannte sich leicht.

Wenn eine Fernbedienung zur Waffe wird

Das Glück währte allerdings nur kurz. Denn überflüssig zu erwähnen, dass das von mir eingestellte Fernsehprogramm natürlich nicht von ihr goutiert wurde und wir wie zwei Playstation-Zocker andauernd auf die Tasten der Fernbedienung drückten, um ein jeweils anderes Programm anzusteuern. Ich war schnell von diesem Spiel genervt und kramte mein Buch heraus. Lieber etwas Gedrucktes als dieses Theater.

So eine angestrengte Atmosphäre hatte ich bisher noch nicht erlebt. Ich kam mir vor wie in einem Meeting mit einem konkurrierenden Kollegen, der eine andere Präsentation durchsetzen möchte oder sich in Position wirft, um beim Chef zu punkten.

In der Arbeitswelt war ich stets auf solche Situationen vorbereitet, kannte sie gut und hatte sogar Freude daran, sie zu lesen und zu knacken. Aber hier in der Klinik, im Krankenzimmer mit einer durchaus schwierigen Diagnose, das war nicht nur anstrengend, sondern auch reichlich überflüssig.

Stiller Plan

Ehrlich gesagt hatte es auch einen leichten Touch von Buddelkiste oder Kindergarten oder, oder, oder. Reif konnte man dieses Verhalten jedenfalls nicht nennen. Ich beschloss, „meine Mannschaft“ (schließlich war ich auf der Station ein „alter Hase“ – irgendwas musste die Zeit ja gebracht haben) in Stellung zu bringen und – gleich morgen – um die Verlegung in ein anderes Zimmer zu bitten.

Ich hatte keine Energie, um in einen Infight zu gehen. Meine Kraft sollte einzig und allein in meine Genesung gesteckt werden und nicht in die Erziehung dieses Früchtchens. Ich löschte nach zwei Seiten krampfhafter Lektüre das Licht und zog mir die Schlafmaske über die Augen. Für heute hatte ich genug. Ende der Durchsage. Vorhang.

„Ich will ein Einzelzimmer!“

Der Morgen darauf war fast noch schlimmer als der Abend zuvor. Ich hatte mir wohlweislich eine Schlaftablette geben lassen und war dementsprechend zerschlagen. Serafina war Gott sei Dank schon im Badezimmer und ich konnte mich und meine Gedanken erst mal ordnen.

Als sie aus dem Badezimmer kam, verkündete sie gleich: „Ich werde heute erst mal um ein Einzelzimmer bitten, denn das steht mir ja zu. Ich bin ja schließlich privat versichert.“ Zu gerne hätte ich diese Idee umarmt, aber leider wusste ich, dass das so gut wie ausgeschlossen ist, „Einzelzimmer auf einer Onko-Station“.

Denn merke: Ein Einzelzimmer bekommst du nur mit Keim, Baby!

Das hätte ich ihr am liebsten entgegnet, verkniff es mir aber. Sollte sie sich mal schön eine Abfuhr abholen. Die Patientenmanagerin würde das schon entsprechend formulieren.

Zeitung und Säfte, die Insignien der Macht

Das Frühstück kam und meine Lieblingsservicekraft legte mir dazu noch eine Zeitung aufs Brötchen und baute ein paar Säfte dazu. Was war los? Feiertag oder hatte ich in einem  Kreuzworträtsel gewonnen, von dem ich nichts wusste?

Dann zwinkerte sie mir verschwörerisch zu und verließ den Raum.

Die Reaktion kam postwendend:
„Ach, auch privat? Na, da haben die uns ja doch wohl richtig zusammengelegt.“
Fast hätte ich den Saft verschüttet, konnte mich aber noch fangen. Immerhin, sie hatte die Insignien der Privatpatientenstellung sofort gedeutet. Bravo!

Ich habe ihren Irrtum nicht aufgeklärt und hatte meinen Spaß und vor allem nutzte ich die nächste Gelegenheit, um meinen Zimmerwechsel vorzubereiten. Leider ging das nicht so flott, wie gewünscht. Noch zwei Nächte musste ich aushalten.

Antje, die Patientenmanagerin, versprach mir, sich um die Sache zu kümmern. Sie verstand sofort, dass die Zimmersituation medizinisch-menschlich nicht gesund war.
Für Serafina wahrscheinlich auch nicht.

Picknick mit Paolo

Am Nachmittag bekam Serafina Besuch. Na, ich sag mal besser, sie hielt Hof. Es war wirklich zum Schreien, wie sie ihre „Freunde“ herumkommandierte und schurigelte.

Paolo kam mit zwei großen Tüten vom Feinkostgeschäft fröhlich, aber durchaus angespannt hereingeweht und flötete: „Mausi, deine Krebsschwänze waren aus, leider. Ich habe dir dafür Garnelen mit Avocado-Curry-Dressing besorgt. Außerdem waren die zyprischen Oliven nicht geliefert worden, dafür gibt es griechische, Schatzi.“ „Oh nein!“ rief sie. „Ausgerechnet.“ Er lächelte konspirativ in meine Richtung. Er wusste, dass ich wusste, was er dachte. Und ich schwöre, ich habe mir diese Szene (die ganze Geschichte) nicht ausgedacht. Es war genau so!

Angemerkt sei, dass es in einem Krankenzimmer ein unausgesprochenes Gesetz ist, dann, wenn „das andere Bett“ Besuch hat, der „Mitbewohner auf Zeit“ auf Durchzug stellt oder aber den Raum verlässt.

Niemand möchte ernsthaft mitbekommen, worüber sich die anderen unterhalten. Selbstverständlich gab ich mir alle Mühe, diese „Technik“ auch im aktuellen Fall anzuwenden, allein: es ging nicht!
Selbst das Wort raumgreifend wäre eine Untertreibung.

Schlemmerei und Liebesschwüre

Ich war verblüfft – auch das bekam ich mit –, wie diese zierliche Person, die dazu noch einen ersten Chemo-Cocktail intus hatte, all diese Dinge mit so großem Appetit essen konnte.

Mir reichten schon der Geruch und die reine Vorstellung von Dillmajonaise auf einer zartrosafarbenen Garnele, um mich innerlich zu schütteln.

Sonst immer gerne, aber hier und heute? Lieber nicht.

Serafina hingegen verspeiste eine Köstlichkeit nach der anderen und redete und redete.

Sie hatte ihren Mann verlassen, der aber ständig anrief, um ihr zu sagen, dass sie die Einzige sei, sein Lebenselixier, seine Göttin, sein besseres Ich, gab sie Paolo zu Protokoll.
Er hätte nicht gemeint, was er gesagt habe. Er wäre schlicht überfordert gewesen. Natürlich könne sie sich auf ihn verlassen. Er sei eben nicht so stark wie sie.

Bei mir setzte sich gedanklich ein Puzzlestück an das andere und meine erste Einschätzung bekam Risse.

Das hier war die Inszenierung einer unglücklichen und einsamen Frau. So langsam verstand ich ihren divenhaften Auftritt, ihre fast kindlich-bockige Art. Da war so viel Furcht und Unsicherheit.

Hinter dem Privatpatientengetue steckte die pure Angst. Ihr Krankenkassenstatus war gleichzeitig ihre Eintrittskarte zu besserer Behandlung, ja vielleicht sogar Heilung.

Einfach köstlich

Ihre Freundin, die später zum Picknick dazu stieß, wurde erst mal angefahren, was ihr einfiele, so spät und dazu noch in diesem Aufzug zu kommen.

„Du siehst ja aus, als hätte dich ein Bus überrollt. Warst du nicht beim Friseur?“ „D-d-doch“, stotterte sie hilflos. „Außerdem wolltest du doch endlich mal diesen grauenhaften Rock in die Altkleidersammlung geben. Wie lange willst du den denn noch tragen?“

Ihre Freundin schaute leicht verstört an sich runter und zuppelte an ihrem Rock herum, der eigentlich ganz gut aussah, wie ich fand.

Bei mir machte sich eine Mischung aus Mitleid und Entsetzen gepaart mit einer Prise Amüsiertheit breit.

Ich versuchte zu lesen, und hatte die Kopfhörer aufgesetzt. Hören konnte ich trotzdem alles. Das Zimmer war angefüllt mit Serafina, sie kam in jeden Winkel. Wie sollte ich mich da abschotten. In der Juristensprache nennt man so etwas einen untauglichen Versuch.

Abendgedanken

An unserem letzten Abend wurde sie dann etwas ruhiger und erzählte mir sogar Persönliches. Ihre Mutter war sehr früh gestorben, daher machte sie selbst aus jedem Ehrentag eine große Sause. „Ich freue mich über jedes Jahr“, erwiderte sie, als ich sagte, dass mein fünfzigster Geburtstag bevorstünde und mich diese Zahl schon mächtig beschäftigen würde.

„Hoffentlich gestalten die Doktores meine Zyklen so, dass ich nicht an meinem Geburtstag in der Klinik sein muss.“

„Mmmh …“, kommentierte sie gedankenverloren. Ich sollte später verstehen, das diese „Mmmmh“ seine Bedeutung hatte.

Rustikale Neubesetzung

Am Morgen darauf trennten sich unsere Wege und auch wenn der letzte Abend relativ versöhnlich abgelaufen war, war ich doch froh, diese angespannte Gesamtsituation verlassen zu können.

Ich zog also um und traf auf Barbara.

Eine ältere Dame mit großer Familie und interessanten Geschichten. Ein Kontrastprogramm sondergleichen. Aber davon an anderer Stelle mehr, die Geschichte um Serafina ist noch nicht zu Ende.

Bereits am späten Nachmittag wurde eine neue Zimmernachbarin bei ihr einquartiert und, wie sollte es anders sein, auch da zog sie ihre Show ab.

Nur war ihr diesmal Modell „harte Hündin“ als Bettnachbarin zugewiesen worden.

„Wo is der Dokta?“

Schon wenige Minuten nach dem Einzug der neuen, sehr rustikalen Lady hallte deren tiefe Stimme über den Flur.

„Ditt ist ja unvaschämt. Die spinnt ja! Is die irre?
Draußen isses arschkalt und ick soll ditt Fensta imma uff lassen.
Nee, so jeht ditt nich. Wo is der Dokta? Der muss dett rejeln.“

Ein Getöse und Gezeter wie bei einem Angriff rebellischer Kampfeinheiten.

Barbara und ich sahen uns verdutzt an und platzten los. Wir lachten und lachten.

Zu meiner Verblüffung kam nämlich raus, das meine neue Mitbewohnerin Serafina gut kannte und mich gleich beim Auspacken gefragt hatte, ob ich umgezogen wurde oder selbst darum gebeten habe. Unsere Erfahrungen glichen sich.

„Ich habe nach meinem zweiten Zyklus gleich darauf bestanden, nie wieder in dasselbe Zimmer zu kommen.“

Unsere „kleine WG auf Zeit“ gefiel mir schon jetzt. Gemeinsame Erfahrungen verbinden.

Wie es zwischen den beiden (also der „harten Hündin“ und Serafina) ausging, weiß ich nicht.
Ich denke mal, der diensthabende Arzt – nebenberuflich „Kindergärtner“ – hat ein Machtwort sprechen müssen, aber das war ja zum Glück nicht mehr meine „Baustelle“.

Besondere Freundschaft

Ich begegnete Serafina noch einige Male auf dem Flur.

Sie tat aber immer so, als würde sie mich nicht kennen und hatte es meist auch sehr eilig. Ihr Ziel war der luftige Balkon, vor dessen Tür ein Schild mit der Aufschrift „Rauchen verboten“ hing. Hinter der Tür befanden sich zahlreiche Kippen und vier überquellende Aschenbecher. Wer es mag.

Serafina zog es jedenfalls häufig mit dem gesamten „Infusionsgeraffel“, asiatischen Hausschuhen und einem kleinen Swarowski-Täschchen bewaffnet genau an diesen Ort, um, wie sie sagte, zu „süchteln“.

Oft hatte sie dabei Paolo im Schlepptau.
Meist natürlich, wenn er zuvor – fast jeden zweiten Tag – immer wieder tapfer die Feinkosttüten angeschleppt hatte. Ich bewunderte ihn für sein Durchhaltevermögen und seine Nehmerqualitäten. Das ist in der Tat ein wahrer Freund. Hoffentlich wusste das Serafina auch zu schätzen.


Eigentlich ganz süß

Drei Tage später kam ich am Schwestern-Glaskasten vorbei und staunte nicht schlecht. Neben Kopierer, Standwaage und Dokumentenrollwagen waren kleine Tischchen mit Torten in allen Geschmacksrichtungen und Größen aufgebaut. Als ich fragte, was denn der Anlass für diese Tortenschlacht sei, bekam ich eine noch erstaunlichere Antwort:

„Die hat uns die Patientin von Zimmer 38 spendiert.“ „Wie, Serafina?“, fragte ich verblüfft.

„Ja, genau die. Sie hat heute Geburtstag.
Nehmen Sie sich doch auch ein Stück, da ist genug da für mindestens zwei weitere Stationen. Wir haben schon fast alle aus dem Haus informiert, dass sie sich bei uns ein leckeres Stück Torte abholen können.“

Serafina konnte augenscheinlich auch süß.

Wie ferngesteuert nahm ich mir ein Stück Zitronen-Biskuitrolle und setzte mich damit gedankenverloren auf mein Krankenbett.

Serafina war – und bleibt mir bis heute – ein absolutes Rätsel.

 

Nachtrag – ein herber Schlag

Den Beitrag über Serafina hatte ich schon seit Wochen „gedanklich im Kasten“. Ich wollte nur noch ein wenig an ihm rumfeilen und ihn „irgendwann“ im „Zellenkarussell“ veröffentlichen.

Vorgestern dann der Schock:

Ich mache den Fernseher an – das ist nun zwei Jahre her -, sehe das großflächige Portraitfoto von Serafina im Hintergrund und die schwarze Einfärbung schlägt mir ins Gesicht.

Ich habe gar nicht mehr gehört, was der Moderator gesagt hat, mir schossen die Tränen in die Augen und ich habe hemmungslos geweint. Verdammt! Das darf doch nicht wahr sein!

Wir beide passten nicht zusammen, sie nicht zu mir, ich nicht zu ihr, aber sie war ganz eindeutig eine „Farbe im Leben“, ein Typ und das kann nicht jeder von sich sagen.

Sie war doch noch so jung, gerade mal „Ende vierzig“, warum jetzt? Was war passiert? Es ging ihr doch gut. 

In der Presse hieß es, sie habe nur noch wenige Freunde gehabt und das Herz habe einfach aufgehört zu schlagen – wie bei ihrer Mutter, das hatte sie mir damals erzählt. Der Krebs war es wohl nicht, zumindest nicht direkt.

Ich kann gar nicht sagen, wie nahe mir das ging und wie leid sie mir tat.
Jetzt noch mehr als vorher.

Eine Paketbotin habe die Polizei verständigt – der Hund hatte so laut gebellt – und die hat dann ihre Wohnungstür öffnen lassen.

Das hat sie nicht verdient, das hat niemand verdient!

Ich will sie mit unserem gemeinsamen „letzten Abend“ vor fünf Jahren im Zimmer 38 in Erinnerung behalten und außerdem mit den Unmengen von Kuchen.

Ein Mensch, anders eben – wie so viele andere auch und vor allem mit vielen verschiedenen Facetten.

Lebe wohl, Serafina!

Leseempfehlungen:

“I wanted to belong to someone.“ – Hanne Ørstavik – Zellenkarussell

„Nur ein Angehöriger“ – Zellenkarussell

„Noch so ein Spruch und ich vergesse meine gute Erziehung“ – Zellenkarussell

Podcast: Nellas Neuaufnahme – Zellenkarussell

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2 Gedanken zu „„Serafina“ – Oder die süße Seite einer Stationsdiva

  1. Sehr herzergreifend, amüsant, so lebendig beschrieben, vielen Dank. Fühlte mich, wie eine Maus, die alles live mit erleben darf. Und danke auch für deine mitfühlenden Schluss Worte. Danke

    1. Ich danke dir für dein schönes Feedback, liebe Karin. Es freut, dass dir meine Geschichte gefällt.
      Sie ist inzwischen auch meine Lieblingsgeschichte geworden.
      Herzliche Grüße, die Nella

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