Familienperspektive

„And the Oscar goes to …“

Vom Wert der Freundschaften, der Familie und anderer Beziehungen

Ja, es gibt sie. Menschen, die im Supermarkt die Regalreihe wechseln, sobald sie dich sehen. Zufällig natürlich. Auch in der Schlange an der Kasse ist man ja so auf den Bezahlvorgang konzentriert, dass kein Blick schweifen kann und man die liebe Nachbarin auch mal wahrnehmen könnte. Auch das sicher „reiner Zufall“. Sicher auch dann, wenn das nicht nur einmal vorkommt. Diese Menschen erkennen einen auch nicht, angeblich, wenn man in der Apotheke – der eigenen Schwäche geschuldet – auf einem Stuhl sitzt.

Auch eine mitfühlende Nachfrage – trotz unmittelbarer Nachbarschaft – wie „Du, ich wollte immer schon mal fragen, wie es dir heute geht“ kommt ihnen auch nach bald vier Jahren nicht über die Lippen. Ganz einfach eigentlich, oder? Oder der Typus, der tatsächlich gleich ganz die Straßenseite wechselt, damit erst gar keine Verlegenheit entsteht, eventuell doch nachfragen zu müssen. Denn merke: Krebs könnte ja ansteckend sein, klar. Ich gebe zu, dass mich solche Verhaltensweisen verletzen, auch wenn ich weiß, dass man diesen Menschen nicht so viel Macht über sich geben darf. Daher – und darum wird es gleich gehen – sind Freunde und Menschen mit dem Blick fürs Wesentliche so, so wertvoll. Gerade die Gegenüberstellung mit dem anderen Extrem verdeutlicht, was ich meine.

Die Zauberkraft des Mundschutzes

Ein letzter Blick auf diese Spezies: Etwa sechs Monate nach meiner Stammzelltransplantation, es war Winter und ziemlich kalt, begab sich Folgendes: Eigentlich war ich ziemlich schlapp. Ich hatte mich dennoch zu einem kleinen Spaziergang aufgerafft und lief, um mich zu schützen, mit meinem Mundschutz „bewaffnet“ durch den angrenzenden Park (in Japan das „normalste der Welt“, in Deutschland zu diesem Zeitpunkt noch völlig ungewöhnlich. wir befinden uns in der Zeitrechnung vor Corona).

Naja, „laufen“ konnte man das nicht wirklich nennen, ich kroch mehr oder weniger über die holprigen Wege und hangelte mich von Parkbank zu Parkbank. Gott sei Dank gab es davon reichlich in dieser winterlichen „Oase“. Von Weitem sah ich schon eine Frau mit ihrem Hund Gassi gehen. Natürlich war letzterer nicht angeleint. Wo kämen wir denn da hin? Wir befinden uns in Berlin, da macht ohnehin jeder wie er will und Hunde anleinen, im denkmalgeschützten Park auch noch, das macht wirklich niemand.

Ich hatte schon befürchtet, dass sich der „Fiffi“ auf mich zustürzen und „nur mit mir spielen“ wollte. Berlin eben … Das wäre das Letzte gewesen, was ich hätte gebrauchen können. Aber die Lösung nahte – wenn auch anders als erwartet: Als mich Frauchen nämlich erblickte, rief sie ganz aufgeregt nach ihrem Liebling. Der zockelte natürlich – nach dem gefühlt sechsten Mal rufen, für ihn war das ja ganz was Neues – irgendwann dann auch zu ihr.

Die Frau kramte hastig in der Tasche ihres dicken Wintermantels herum, bis sie schließlich fündig wurde und die Hundeleine herauszog. Sie beugte sich zu ihrem kläffenden Schatz herunter und die Leine klickte gut vernehmlich in die kleine Öse am Halsband. Schnellen Schrittes verließ das Paar die Szene und ich stand da und musste die Situation erst mal richtig erfassen. Ich glaube mir stnad kurzfristig der Mund unter der Maske offen. Was war das denn? Völlig surreal.

Denn hätte man mir vorher gesagt, dass es so einfach ist, Hunde in Berlin an die Leine zu bekommen, ich hätte schon früher mal einen Mundschutz aufgezogen. Welch´ Zauberkraft, Wahnsinn! Diesen Zweitnutzen eines Mundschutzes hatte ich doch tatsächlich außer Acht gelassen, wie dumm von mir. Nee, jetzt aber mal im Ernst: Manche Leute sind wirklich schrecklich!

Die glänzende Seite der Medaille

Aber diese (wenigen) Menschen (komischerweise immer Frauen in ungefähr meinem Alter, vielleicht kann mir jemand psychologisch Kundige/r das mal erklären) sind nur der hintere, dunkle Teil einer Medaille, die an ihrer Vorderseite umso glänzender leuchtet. Der jetzt folgende Teil ist jetzt den Menschen gewidmet, die nicht weggeschaut haben, die immer da waren und nachgefragt haben, sich gesorgt haben, praktische und seelische Hilfe geleistet haben. Oder schlicht und einfach immer und immer mal nachgefragt haben, wie es mir, wie es uns denn so geht (und nicht die Augen nach oben gerollt haben, weil die Krankheit dummerweise immer noch „da war“).

Achtung! Vorwarnung! Das wird jetzt etwas ausführlicher! Die Danksagungen in Hollywood sind ein Witz gegen das, was jetzt folgt. Wie oft sagt man „Du, ich meine es nicht persönlich“. Aber das, was jetzt folgt, ist Wort für Wort „persönlich“. Wer mich, wer uns nicht kennt, muss diesen Text nicht lesen, sie/er kann abschalten, Ihr verpasst nix. Höchstens meine Dankbarkeit. Mir aber ist die Nennung dieser Menschen unermesslich wichtig. Denn bei der Zusammenstellung all der nun folgenden Freundinnen und Freunden ist mir bewusst geworden: Ich bin reich! Reich an Freundschaften und Beziehungen, die mich in dunklen und dunkelsten Zeiten gehalten haben. Wenn Ihr alle wüsstet, wie wertvoll Ihr seid!

Reich beschenkt – die „Preisträger“

Wo fange ich an? Bei Raimund, unserem Nachbarn, der (als praktisch der Erste damals) kurz nach dem Bekanntwerden der Krankheit im Haus mit einem Blümchen und Tränen in den Augen in unserem Flur stand und mir alles, alles Gute wünschte?

Bei Ute, die, als wir an einem der vielen Tiefpunkte waren (zu der Zeit lagen sowohl ich mit einer Lungenentzündung und auch mein Mann mit einer lebensbedrohlichen Infektion, bei der es auch um die „Zukunft“ seines rechten Unterarms ging, im Krankenhaus – ihr seht, wenn wir ins Regal greifen, dann ins „oberste Fach“) uns eine Whatsapp-Nachricht aus dem fernen Eschwege schickte, wir sollten uns mal keine Sorgen um den Haushalt und die Kinder machen, ihre Apotheke würde auch mal 14 Tage ohne sie laufen, da könnte sie uns doch besser helfen?

(Kleine Anmerkung: Die Kinder schwärmen heute noch von dieser Zeit, es hätte immer etwas Ordentliches zu essen gegeben und auch das Lernen hätte mit Ute soooo viel mehr Spaß gemacht). Oder fange ich bei Gunter und seinen Lieben an, die Familienrat hielten und überlegten, wie man uns neben (hilflosen) „guten Wünschen“ helfen könnte? Und da kamen sie auf die glorreiche Idee, dass Tochter Pia ein Ass in Mathe sei (ja, es gibt sie, diese Menschen) und unserer Tochter Nachhilfe geben könnte! Wir jubelten.

Allein der Anfang zeigt mir: Ihr alle, die jetzt folgt, wart (und seid) so unsagbar wichtig. Und bitte lest aus der Reihenfolge keine Wertung ab, wirklich nicht, der/die Letzte könnte auch die/der Erste sein. Und umgekehrt.

Menschlichkeit ist Trumpf

Dann nenne ich auch gleich meinen Arbeitgeber, meine damaligen Personalchefin Dr. Julia B., die obwohl sie fast 500 „Schäfchen“ hüten musste, nur wenige Tage nach der schlimmen Nachricht mich zu Hause besuchte und mir die Last des schlechten Gewissens nahm, was denn nun aus all meinen anstehenden Projekten werde.

Ich solle mich – ihr Ton war fürsorglich und zugleich streng – allein um mich und meine Gesundung kümmern und nur wenige Tage später kam eine Karte, in der meine ganze Abteilung, auch meine direkten Dienstvorgesetzten, „alles Gute“ wünschten. Aber das Beste ist: Sie bleiben „am Ball“, in regelmäßigen Abständen erreichen mich heute noch Gutscheine für Blumensträuße!

Auch vier Jahre nach der Diagnose bekomme ich immer wieder mal eine Grußkarte, mal eine Mail von meinen Kolleginnen und Kollegen, es tut so gut, wenn man nicht vergessen wird. Wer sagt, dass das Business so hart sei, möge sich bei mir melden. Von Oli aus der Firma trudelte ein Buch über den „Versender mit A“ bei mir ein – sofort gelesen übrigens. Es ist so schön, dass du an mich denkst. Auch Claudia aus dem „Büro“ kam ins Krankenhaus. Wie in einer Inszenierung im roten Kleid und fröhlicher Stimme erschien sie auf der Onko-Station und machte alle Ärzte wuschig (die reden heute noch von dir). Es war herrlich. Nihad schickte und schickt mir immer wieder Nachrichten und sendet mir Karten. Weihnachten ist spätestens ein eingespieltes Ritual.

Die Abteilung „BFF“ (best-friends-forever)

Meine Freundinnen: Habt Dank dafür, dass Ihr mich immer und immer wieder im Krankenhaus besucht habt, dass es euch nie zu viel wurde, wenn das „Licht am Ende des Tunnels“ nicht aufleuchten wollte, dass Ihr mich immer und immer wieder aufgemuntert habt, aber dass wir auch trotz der ganze Scheiße (Entschuldigung) herzhaft lachen konnten.

Danke Kati, dass du beim ersten Perückenkauf mit dabei warst, dass du Weihnachten auf der Station warst (ein eigenes Kapitel). Deine Tränen, als Du (praktisch „live“ damals im Westend) die schlimme Diagnose mitbekommen hattest, gehen mir heute noch durch Mark (sic!) und Bein. Danke Sprotte für den „Shuttle“ nach Magdeburg zur Reha, alles nicht selbstverständlich, das weiß ich. Du warst ebenfalls eine gern gesehene Weihnachtsfrau an meinem Krankenbett.

Susanne, die mich dann – mal wieder wie Jeanne d’Arc, eigentlich ist das ihr Name – wieder aus der Reha freikämpfen musste. Fast wie beim ersten Mal auf der Station, als ich so unglücklich war und „nur noch raus“ wollte. Sofort.

Dank auch an Bettina, die sich bis heute (wie alle anderen natürlich auch) regelmäßig bei mir meldet, mich viel besucht und mit kleinen und großen Geschenken bedacht hat (und zwar immer öfter so, dass die Krankheit in den Hintergrund rückt). 

Jetzt wird’s vorübergehend familiär:

Ich kann es gar nicht ermessen, was es für Eltern, die eigentlich ihren wahrhaft wohlverdienten Ruhestand, u. a. mit Reisen, genießen wollten, bedeutet, wenn das Leben einer Tochter (das bleibt man ja ein „Leben lang“) so massiv gefährdet ist. Welche Gedanken gehen ihnen durch den Kopf? Die Mutter ist die aller allererste, die die „schlimme Nachricht“ (von denen es so reichlich gab) bekommt, das ist einfach so drin, es geht nicht anders.

Es tut mir so unsagbar leid, in was ich euch da reingezogen habe, aber eure Hilfe war gleichzeitig so unsagbar wichtig. Ihr seid „Feuerwehr“ in Notlagen, feste Stützen für die Kinder, Ratgeber und Begleiter bei wichtigen Entscheidungen … ich könnte stundenlang fortfahren. Während der Stammzelltransplantation wart ihr für fast ein halbes Jahr wieder mein „Zu Hause“ und meine Lieben in Berlin konnten mal wieder „Luft schnappen“, allein das ist mit Gold gar nicht aufzuwiegen.

Danke Papa, wie rührend du mein Zimmer in und für diese Zeit wieder eingerichtet hast, und danke Mama, mit welch unglaublicher Geduld du mich mit Haferschleim und Grießbrei (Schön im Wechsel, je nach Stimmung und mit viel Butter und Eigelb. Mhhh, lecker!) immer und immer wieder aufgepäppelt hast, als das Gewicht so in den Keller raste und uns Angst und Bange wurde. Ohne Dich hätten die Docs nicht so auf den Magen geachtet (ganz einfach deswegen, weil es so unglaublich viele andere „Baustellen“ gab).

Meine Schwestern: Keine Minute gezögert haben sie, um sich typisieren zu lassen. Sie haben alles stehen und liegen gelassen, um mein Leben retten zu können. Dass dann doch ein fremder Spender zum Zug kam, kommen musste, war nicht vorauszusehen. Sabine und Anne-Marie kamen nach Berlin und waren da, um mir in einer ganz, ganz schlimmen Zeit, in einem ganz, ganz tiefen Tal beizustehen. Wir alle wissen, welcher Gedanke „parallel“ (und gottlob unausgesprochen nebenher) mitschwang. Ich bin so froh, dass wir alle dieses ganz, ganz tiefe Tal durchschritten haben und wir heute wieder fröhlich sein können.

Der nächste „Familien-Oscar“ geht an Johanna, Großmutter von Timo und Oma von Marlene und Caspar. Diese häufigen und so langen Telefonate haben mir so viel Halt und so viel Trost gegeben, gleichzeitig haben wir so unglaublich viel gelacht, Dein Humor, deine „trockenen Lebensweisheiten“ haben mir so oft geholfen. Und wie oft hast du mich mit der Erfüllung „kleiner Wünsche“ verwöhnt, hab einfach Dank dafür. Als ich am Heiligabend 2016 im Krankenhaus verbringen musste und die Kids mich nicht auf der Onko-Station besuchen durften, haben du und Timo ihnen diesen Nachmittag und Abend so wunderbar leicht gemacht, mir kullern jetzt noch die Tränen. Es soll ja sehr lustig gewesen sein …

Apropos Kids, apropos Fröhlichkeit: Tante Sigrid und Onkel Rudolf haben die Kinder für ein paar Tage auf den Hof in Ritze in der Altmark eingeladen haben, damit sie mal raus kamen und durchschnaufen konnten. Meine „Späher“ haben mit berichtet, dass sie mal den ganz, ganz großen Trecker fahren durften … tss, tss …

Tante Christel, die mit den Kids Unternehmungen machte, zu denen wir allein kräftemäßig gar nicht in der Lage gewesen wären. Das „Fußball-Museum“ in Dortmund, der „Starlight-Express“ in Bochum – alles keine Selbstverständlichkeiten, umso schöner, dass du ihnen diese Unbeschwertheit geschenkt hast. Ja und dann hast du mich ja noch mit „feinster“ Baumwoll-Unterwäsche für die Zeit in der Isolation während der Transplantation versorgt … typisch Tante eben ;-).

„Kasse, oder privat?“

Ich komme zu meinen „Privat-Ärzten“. Ich meine die aus der Familie, die meine Geschichte begleitet haben. Durch sie war ich indirekt auch immer privat krankenversichert. Was für ein Luxus!

Mein/unser Sohn Dr. Timo A. und meinen Cousin Dr. Michael P. Der eine Radiologe an einem sehr großen und bedeutenden Krankenhaus in Berlin, der mir die Befunde transparent (und vor allem „ehrlich“) gemacht hat (ich weiß jetzt zum Beispiel den Unterschied zwischen „am ehesten“ und „Verdacht auf“ und auch, dass der Unterschied ein Schicksal sein kann), und der andere – der Zufall wollte es so – Oberarzt für Onkologie an einer Universität im Westen Deutschlands.

Lieber Timo, lieber Michael, ich weiß heute, wie schwierig es für euch war, wenn ihr aus ärztlicher Sicht die Dramatik der Befunde (natürlich) habt erkennen können, mich andererseits natürlich nicht mit der schonungslosen Wahrheit konfrontieren konntet.

Der Satz von Michael „Es ist nie zu Ende, irgendwas gibt es immer noch. Die Medizin hat noch viele Pfeile im Köcher“ hat unsere Familie unerschütterlich oben gehalten und so richtig will ich auch gar nicht wissen, ob das immer auch so stimmte. Dein Besuch, lieber Michael, zusammen mit Tante Christel in Münster hat damals so viel zu meiner Beruhigung beigetragen, gut, dass es dich gibt.

Auch Onkel Michael, der diese Zeilen leider nicht mehr lesen kann, hat mich mit seinem burschikosen Charme und seiner bloßen Anwesenheit immer beruhigen können. Er gab mir immer Zuversicht, auch wenn er das nicht artikulierte. Er war auch meine erste Kontaktadresse, als die Schlagader infolge der bösartigen Infektion meines Mannes geplatzt war und er mal wieder operiert werden musste. Zufall auch hier: Wir hatten eine Gefäßchirurgen in der Familie und daher war sein „dett wird schon, keene Sorje“ seinerzeit der beste Wundverband der Welt. Ohne seine sonore, warme Art wäre ich durchgedreht. Er war mein „Familien-Buddha“.

Ich vermisse ihn sehr, so wie du Tante Magda, die Du so oft die „Übersetzerin“ seiner Worte warst. Dein Lieblingswitz „Wie schmeckt Stachelbeerkuchen? Stachelbeeren runter, Erdbeeren drauf!“ hat so oft für schallendes Lachen auf der Station gesorgt.

Den Satz mit den „Irgendwas geht immer noch“ brachte auch unser lieber Freund Dr. Ralf H., der recht spät von meiner Krankheit erfuhr, weil wir uns so lange aus den Augen verloren hatten. Ralf stand meinem Mann (Unterarm – siehe oben) und mir menschlich so nah zur Seite, ich kann bisweilen dieses Glück kaum fassen. Auch verdanke ich ihm wertvolle Tipps für den Aufbau dieses Blogs, er kann einfach alles. Naja fast. Ich weiß, das ist dir jetzt peinlich, aber es musste mal gesagt werden.

Dr. Kora R. schenkte mir ihr „schwiegertöchterliches (schmunzel) Ohr“, einfach mal „lossabbeln“ kann so schön sein. Auch ihre Mama Ulla sendete mir einen lieben Büchergruß, obwohl wir uns bisher erst einmal begegnet waren.

„Die drei von der Tankstelle“

Wir sind bei „guten, langjährigen Freunden“: Rudolf, Professor, Freund, Alleskönner, (auch er müsste ganz, ganz oben stehen, würde es aber in seiner Bescheidenheit nicht wollen) hat uns vom ersten Tag an mit Anrufen, mit Zuhören und mit dem Gefühl, immer für uns da zu sein, begleitet.

Er hatte nicht nur einfach „Wie geht´s?“ gefragt, sondern auch Details der Therapie wissen wollen und uns so in einem ganz wunderbaren Maß seine Wertschätzung gezeigt. Er ist ein so verlässlicher Freund, wie man ihn sonst nur in Heinz-Rühmann-Filmen findet. Rudolf, Ute, Gunter, Cornelia, die sich zuverlässig bei mir meldete, und Gerd (der uns wertvolle Kontakte in den USA rund um die CAR-T-Studie vermittelte) kennen sich aus WG-Zeiten vor rund 35 Jahren in Schlachtensee – ich verbeuge mich tief vor diesen stabilen Beziehungen, die ein Leben lang halten. So wie wir Kati, nicht wahr?

Ich komme zu Monika und Dr. Roland W., auch sie „Freunde fürs Leben“ – in vielerlei Hinsicht. Beide führen eine „Praxis für therapieresistente Erkrankungen“ (also für Menschen, die von „Pontius zu Pilatus“ gelaufen sind an der Ostsee). Und wenn ich Ostsee sage, dann meine ich Ostsee. Der Blick aus eurem Haus aufs holsteinische Hinterland, vor allem aber aufs Meer haben damals – nach dem bitterbösen Rückschlag der ersten Chemo-Runde –  für ein paar Tage der (notwendigen) Ruhe gesorgt und die Krankheit mal aus einer ganz anderen Perspektive sehen lassen.

Die Löwen

Oder Thomas, der du uns von Anfang an so intensiv und einfühlsam begleitet hast und immer und immer wieder die richtigen Worte für die Einordnung uns manchmal unverständlicher Verhaltensweisen „der lieben Mitmenschen“ hast geben können. Das hat über so manche Klippe geholfen und die Macht dieser Leute kleiner werden lassen. Jörg (mit seinen so schönen WhatsApp-Aufmunterungen), Norbert, Peter, Dietrich, Ilan, Paul … Freunde sind dazu da, wenn man sie braucht und sei es mal nur mit einem Frühstück im „Wiener Café“ als einem der aller-, allerersten Wieder-Lebenszeichen.

Feiern und „fighten“

Lieber André, du bist eine ganz besondere „Kategorie“: Denn allein „Freund“ trifft es nicht. Es ist mehr. Seit nun bald mehr als zwölf Jahren begleiten wir unsere Lebenswege, du gehörst zu denen, die an Zuverlässigkeit und Zuwendung (wie so viele hier) nicht zu überbieten sind. Deine Hochzeit im Brandenburgischen war für mich einer der „Ich bin wieder da“-Paukenschläge, das gemeinsame Foto „mit allen vieren“ schmückt unsere „Family-Wand“.

Ich springe nochmal zu meiner befreundeten Nachbarschaft: Carola, die wir uns vorab gar nicht so gut kannten, brachte mir (neben immer mal wieder aufmunternden Blümchen) ein Gebetsbändchen aus Israel mit – ein so schönes Symbol! Und sie war, als in der Schule der Kinder „die Kacke am Dampfen war“, mit guten Ratschläge an unserer Seite. Ja, Carola, unser Jüngster hat nach deinen mahnenden Worten nie mehr einen Mitschüler verkloppt, der ihm nach einem (eigentlich ganz normalen) „Jungskonflikt“ ein „Dafür habe ich nicht so eine Scheiß-Mama“ hinterherrief und ihn ausrasten ließ.

Starke Hausgemeinschaft

Auch Gerfried, der uns stets das gute (und beruhigende) Gefühl gab, im Notfall immer für uns da zu sein, hat viel für uns getan (zum Beispiel die Cola-Versorgung meines Mannes, als der in der Klinik lag – wer das Thema kennt, weiß, was das für eine logistische Meisterleistung sein musste). Oder Claudia, die als sie von ihrem Balkon aus unser vollgepacktes Auto nach der Rückkehr aus Münster sah und – schwuppdiwupp – ganz einfach runterkam und mit anpackte. Man sagt immer, die Stadt sei so unpersönlich, mag sein, unser Haus ist es nicht.

Ich denke an Thomas, der mich gleich in den Anfangstagen herzlich umarmte und mir zeigte „ja, Krebs ist doch gar nicht ansteckend“. Oder Angelika und Willi, anfangs musste ich die „Grünkohlabende“ bei euch noch absagen, jetzt bin ich „wieder da“ auch daran merke ich, dass sich was getan hat. Ja und dann noch die Jungs „unter uns“, Tobi und David, wahre Goldstücke. Ich habe erst sehr viel später, nachdem sie es wochenlang schon praktiziert hatten, erfahren, dass sie jeden Morgen die Klinke unserer Haustür desinfiziert hatten, um mich in der Zeit des Ausschleichens nach der Stammzelltransplantation zu schützen. Wie fürsorglich war das denn?

Gelebter Kiez 

Ein letztes Wort zur Nachbarschaft: Das Apothekenteam, „Pechi“, die Blumenfrau, die Fahrradfrau (so nennen wir) sie, die Steuerberater (die immer mal wieder ein Kompliment auf den Lippen haben, und zwar exakt dann, wenn es einem so ganz besonders „bescheiden“ geht) bilden ein so dichtes Netz, wenn es zum Beispiel die Kinder mal brauchen. Wer will da noch aufs Dorf?

Das „Rundum-sorglos-Programm“ – oder unverhofft, kommt oft

Kommen wir zur Abteilung „Ganz praktische Hilfe“: Matthias, der du mir, als ich für eine Woche in Köln war, ganz unaufgeregt deine Wohnung zur Verfügung gestellt hast. Wir kannten uns kaum, aber schwuppdiwupp hatte ich den Schlüssel in der Hand und ein „wunderschönes Dach über dem Kopf“ anstatt in der (sicher auch schönen) Kölner Uni-Klinik zu nächtigen. Einfach nur gut!

Sanaa und Doreen – an wie vielen Tagen war unser Sohn eigentlich bei euch zur Übernachtung (und wir uns ja aus erklärlichen Gründen nicht revanchieren konnten)? Wie oft kam abends der Anruf „Darf ich noch eine Nacht?“ Wie viele Sprudelkisten hast du, Doreen, gemeinsam mit Torsten geschleppt? Wie oft hast du mich, liebe Saana, mit Rezepten aus deiner Heimat Marokko bekocht? Viele naturkundliche Tipps geben (ja, Kurkuma ist ein wahres Zaubermittel). Dass ihr alle diese Hilfen von euch aus gesehen und angeboten habt, hebt euch so in den Himmel!

Gute Wünsche und Gedanken

Dank aber auch an die Menschen, mit denen ich direkt keinen Kontakt hatte, die sich aber über meinen Mann so regelmäßig, so einfühlsam und so interessiert nach mir erkundigten, jede einzelne eurer guten Wünsche hat mich erreicht. Constanze, Micha, Paul, Jan und Malini, aber auch Ann Cathrin, die du aus mir eine Geschichte „Weihnachten im Krankenhaus“ herausgekitzelt hast. Nochmal Constanze: Du hattest uns deine Karten für den so wunderbaren Anatevka-Abend mit der göttlichen Dagmar Manzel geschenkt – für mich/für uns ein ganz wichtiger Schritt „zurück ins Leben“. Und wir wissen beide, was dieser Abend für dich bedeutet hätte … Oder Zeèv, du hast mir ein Buch von Iris Berben und eine Widmung des von mir so hochverehrten Volker Kutscher zukommen lassen – das sind genau die Dinge, die man braucht, wenn der Tropf (mal wieder) klemmt.

Während ich diesen Blog erstelle, bin ich wieder „voll drin“ in meiner Pétanque-Gruppe (ja, es heißt Pétanque (Boule ist der Oberbegriff), schöne Grüße von der Klugscheißerin 😉 und stehe wieder Sonntag für Sonntag (auch im Winter) auf dem Platz. Das war mal anders, wenn Ihr wüsstet, liebe Leane, Gisela, Evelyn, Anna-Lisa, Barbara, Marianne, Helga, Judith, Andreas, Rolf, Peter, Christian, wie sehr mich eure guten Wünsche aufrecht gehalten haben …

Als es mir mal ganz besonders bescheiden ging und ich mich wegen meiner trüben Stimmung nicht bei euch melden wollte, kam ein „Melde dich unbedingt, dann weinen wir eben gemeinsam.“ Was wir dann ja auch getan haben … Eure so wunderschönen (und von Peter erstellten) Grußkarten haben selbst die Schleuse im Uniklinikum Münster durchbrochen, das war so schön …

Aus einem anderen Leben

So, jetzt kurz vor Schluss noch ein Gruß an meine ehemaligen Freunde Andreas und Burkhard. Durch die Krankheit (von der ihr über Um-, Um-, Umwege erfahren habt) hatten wir auf einmal wieder Kontakt. Burkhard hatte alte Telefondaten durchwühlt, um meine Mobilnummer aufzuspüren, die ich Gott sei Dank noch hatte. Warum nicht früher und warum nicht jetzt wieder? Ihr gehört – so wie viele andere – zu mir, so eine Krankheit trennt die „Spreu vom Weizen“ und ihr seid beide „Volles Korn“! Danke, Andreas, dass du über deinen Schatten gesprungen bist und mich angerufen hast!

Wer bis hierhin durchgehalten hat, verdient meinen vollen Respekt! Die eine oder andere Episode werde ich noch mal ausführlicher in eigenen Beiträgen verwursten. Denn die Schilderungen greifen in den meisten Fällen viel zu kurz.

Und zu guter Letzt: Ich bin mir (fast) sicher, dass ich jemanden vergessen habe. Shame on me! Aber das kann passieren und wird unbedingt nachgeholt, die Zeit wird durch diesen Blog wieder so lebendig.

Und ansonsten gilt diese wunderbare Ballade von Reinhard Mey:

Komm, gieß mein Glas noch einmal ein
Mit jenem bill’gen roten Wein
In dem ist jene Zeit noch wach
Heut‘ trink ich meinen Freunden nach!


Verwechs’le ich Euch, vergaß ich dich
Lässt mich mein Gedächtnis im Stich?
Manches ist schon so lange her
Kenn‘ ich nicht alle Namen mehr
So kenn‘ ich die Gesichter doch
Und erinnere mich noch
Und widme Euch nicht wen’ger Raum
Geschrieben haben wir uns kaum –
Denn eigentlich ging keiner fort
In einer Geste, einem Wort
In irgendeiner Redensart
Lebt Ihr in meiner Gegenwart
Lebt Ihr in meiner Gegenwart

Aus tiefstem Herzen, herzlichen Dank an alle!

Eure Nella

P.S. Jetzt wird sich sicher die eine oder der andere Fragen, warum hier meine Liebsten, mein Mann und unsere beiden Kinder nicht aufgetaucht sind. Dafür fehlen mir – selbst heute noch – die Worte, darüber muss vielleicht November werden. Oder auch nicht 😉

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6 Gedanken zu „„And the Oscar goes to …“

  1. Liebe Nella,
    Wir beide haben ja schon mehrfach über Deine Krankheit und auch meine gesprochen. Die Gespräche mit Dir sind immer sehr intentensiv und hilfreich. Dein Blog berührt mich sehr, wie offen Du mit allen Facetten der Erkrankung umgehst. Bis bald auf unserem schönen Gelände.
    Barbara

  2. Liebe Nella! Ich habe Deinen Blog insgesamt gleich gelesen als ich davon von Deinem Mann auf einer Geburtstagsfeier erfuhr. Wir kennen uns kaum,haben Sie uns vielleicht 2-3x gesehen ,aber dieser Bericht hat mich ziemlich aufgewühlt.
    Du bist eine unglaublich starke Frau, die Vorbildcharakter hat. Auch der Bericht über die Haltung und Fürsorge Deiner Familie und Freunde ist einzigartig, einfach großartig! Ich werde gleich einmal meine „Probleme“ und Problemchen in eine Streichholzschachtel verbannen und zur Tat schreiten. Ich möchte Dir und Deiner Familie Unterstützung geben wieder in ein annehmbares und schönes Leben zurückzufinden. Sich wieder frei und behutsam außerhalb der eigenen, schützenden 4Wände glücklich zu fühlen, die Batterie aufzufüllen. Hier kommt nun eine Einladung zu einem Kammerkonzert in einem besonderen Rahmen( kleiner Kreis) und davor ein gutes Essen in entspannter Atmosphäre. Taxi vor der Haustür inbegriffen,wir holen Euch ab.Datum und alles andere erledigen wir über E-Mail. Es grüßt Dich von Herzen LianeB.

    1. Liebe Liane, ich danke Dir sehr für Deine lieben Worte.

      Ich muss zugeben, wir stehen alle noch sehr unter dem Eindruck und der bedrohlichen Kraft der letzten Jahre. Auch wenn ich mich selbst als echtes Stehaufmännchen bezeichnen würde, hat die Zeit Spuren hinterlassen. Der Blog hilft mir sehr, das Ganze zu verarbeiten. Mein Professor hat auch alles gelesen und meinte, dass muss eigentlich jeder Arzt lesen, damit er die „andere Bettkannte“ besser versteht. Versteht, was man so als Arzt bei Patienten auslöst. Das war gar nicht meine Intention, aber umso schöner, dass er das so verstanden hat.

      Auch Eure liebe Einladung zum Kammerkonzert nehme ich sehr gerne an. Michael hatte ja auch schon mit Dir geschrieben und alles fix gemacht. Da freue ich mich schon sehr drauf. Ablenkung, das sog. Überschreiben – habe ich gelernt – von blöden Erinnerungen, ist ein Puzzlestück zum neuen Leben.

      Euch noch einen schönen Abend. Seid herzlich gedrückt und auf sehr bald.
      Herzlichst, Nella 😉

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